XR wird in der Klimabewegung derzeit heiß diskutiert. Aus der radikalen Linken kommt viel Kritik, teils auch pauschale Ablehnung. Wir als iL freuen uns über den Mobilisierungserfolg der Rebellionswoche und arbeiten mit XR zusammen. Dennoch sehen auch wir manches kritisch. Unsere Einwände haben wir nun in Form eines offenen Briefes an XR etwas ausführlicher begründet. Wir hoffen auf eine spannende Debatte.
Liebe Rebell*innen,
beeindruckende Massenblockaden in vielen Metropolen der Welt liegen hinter uns. Nachdem am 20. September 1,4 Mio. Klimastreikende allein in Deutschland Geschichte schrieben, beteiligten sich vom 7.-13. Oktober Tausende an euren Aktionen in Berlin. Viele wagten zum ersten Mal den Schritt in den zivilen Ungehorsam. Selbst bei Regen und Kälte habt ihr euch an Brücken gekettet und zentrale Plätze der Stadt über Tage hinweg besetzt gehalten. Eure markante Symbolik und eure oft sehr persönliche Sprache waren medial überaus sichtbar. Sie drückten ein Verlangen nach Wahrhaftigkeit und radikalem Wandel aus. In euren und vielen weiteren Aktionen verdichtet sich, was Greta Thunberg beim UN-Gipfel in New York am 23. September den Regierungen der Welt entgegenschleuderte: »Right here, right now, is where we draw the line!«. Dieses Momentum eines sich ausbreitenden Willens zum Aufstand für das Leben müssen wir nutzen und weitertreiben. Die Verantwortung ist groß, denn die Zeit läuft uns davon. Nur gemeinsam können wir eine machtvolle, weil plurale, miteinander streitende und doch solidarisch zusammenstehende Klimagerechtigkeitsbewegung aufbauen. Aus dieser Überzeugung heraus stellen wir uns entschieden gegen die Spaltungsdynamik, die in den letzten Wochen auch von Teilen der (radikalen) Linken angeheizt wurde. Dem vielfach überzogenen und selbstgerechten Shitstorm gegen Extinction Rebellion (XR) wollen wir eine hoffentlich konstruktive Rückmeldung unserer Wahrnehmungen entgegensetzen. Ihr habt uns und andere Gruppen wiederholt um Kritik gebeten und erkennbar versucht, aus Fehlern, wie sie gerade für eine junge Bewegung nicht überraschend sind, zu lernen. Wir sind insofern zuversichtlich, dass ihr unsere Anregungen ernst nehmt und wir die Diskussion und Zusammenarbeit fortsetzen und intensivieren können. Ermutigend ist aus unserer Sicht, dass ein solcher Verständigungs- und Kooperationsprozess in Großbritannien, dem Mutterland von XR, bereits weiter vorangeschritten ist. Wir haben den Eindruck, dass dies in Deutschland bisher noch zu wenig wahrgenommen wird. Daher wollen wir auch einige Schlaglichter auf die dortige Debatte werfen und hoffen, eine ähnliche Entwicklung in Deutschland anzustoßen. Dazu gehört natürlich auch, der Frage nachzugehen, was die Klimagerechtigkeitsbewegung und die radikale Linke von XR lernen können. Dem können wir an dieser Stelle bestenfalls in Ansätzen gerecht werden. Wir wollen die selbstkritische Reflexion aber an anderer Stelle weiter vertiefen. Unsere Kritik an XR betrifft unterschiedliche Aspekte der Strategie und ihrer praktischen Umsetzung – und wir sind uns, jenseits des hier festgehaltenen, keineswegs in allem einig. Wir sind uns bewusst, dass XR derzeit ein sehr heterogenes, schnell wachsendes und unübersichtliches Spektrum lokaler Gruppen umfasst. Vieles sortiert und entwickelt sich noch und vieles, was wir im Folgenden ansprechen, wird sicherlich auch innerhalb von XR längst diskutiert. Wir greifen lediglich bestimmte Tendenzen heraus, die uns problematisch erscheinen – oder die uns umgekehrt inspirieren und in denen wir euch bestärken möchten.
1. »Beyond Politics«?! Es braucht eine klare Herrschaftskritik und bewusste Bündnisarbeit
Die Botschaft von XR ist universalistisch: von der Klimakatastrophe und der Zerstörung der Artenvielfalt sind – letztlich – alle betroffen. Dementsprechend sind auch alle aufgerufen, mit der »toxischen« Logik des Systems zu brechen. Zugleich ist aber klar, dass Menschen je nach Region und sozialer Lage hochgradig zeitversetzt und in extrem ungleichem Maße von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind. Eine Massenrebellion lässt sich deshalb nach unserer Überzeugung nur entlang der tiefen Kluft zwischen Hauptverursacher*innen und Leittragenden der Krise entfesseln. An vielen Orten der Welt ist diese Rebellion längst im Gange. Denn auch der »Notstand« ist für viele Menschen schon lange bittere Alltagsrealität. Indigene, People of Colour, Frauen und andere von Ausgrenzung und Armut besonders betroffene Gruppen stehen in diesem Kampf an vorderster Front. Das bleibt für die meisten Menschen in Europa bisher aber unsichtbar. Es gehört zu unseren zentralen Aufgaben, dies zu ändern – und zwar gerade, weil die Mehrheit der hierzulande bei XR, Fridays for Future oder linken Gruppen aktiven Menschen aus (noch) vergleichsweise gesicherten Lagen heraus spricht und leichter Gehör findet. Die Rhetorik von XR, wonach wir »alle in einem Boot« sitzen, ist aus unserer Sicht aber wenig hilfreich, um den Anspruch auf Klimagerechtigkeit mit Leben zu füllen. Gegner*innen und Verbündete, Herrschaftsstrukturen und Handlungsperspektiven müssen im Kampf gegen den Klimawandel deutlicher benannt werden. Unternehmen und Regierungen, die im Wissen um die tödlichen Folgen ihrer Politik seit Jahrzehnten eine Nachhaltigkeitswende aktiv verhindern, müssen von unserem Protest klar adressiert und angegriffen werden. Ein »jenseits von Politik« kann es nicht geben. Gerade die Klimakrise ist hoch politisch, weil es um die Verteilung von knapper werdenden Ressourcen, Zufluchtsorten und Gestaltungschancen geht. Diese Überlegungen haben in den USA dazu geführt, dass XR eine 4. Forderung nach gerechter Transformation aufgestellt hat. Der Fokus liegt dabei auf den verletzlichsten sozialen Gruppen sowie indigenen und ökologische Rechten. Dabei sehen wir durchaus, dass sich ein Teil des Erfolges von XR aus Zurückhaltung bei der politischen Positionierung erklärt: Durch die Forderung nach einer Bürger*innenversammlung, die alles weitere zu entscheiden habe, entlastet ihr euch bisher weitgehend von Debatten um Ursachen und Lösungsvorschläge. Und solche Debatten bergen Zersplitterungspotential (die Linke kann davon ein Lied singen). Als reiner Mobilisierungshebel für die Aktivierung von Menschen jenseits traditionell links sozialisierter Kreise mag das zurzeit als geschickter Schachzug erscheinen. Versteift ihr euch aber auf Dauer auf die Illusion der Überparteilichkeit, dann blockiert das notwendige Debatten. Und es wirkt zahnlos, weil selbst Offensichtliches, wie das Profitmotiv hinter der Lobbymacht der fossilen Energiewirtschaft oder dem globalen Raubbau der Agrarindustrie, nicht klar benannt wird. Auch läuft XR so Gefahr, sich von den weit zurückreichenden Erfahrungen und Wissensbeständen bestehender Emanzipationsbewegungen abzukoppeln. Ungewollt verstärkt das die Tendenz, soziale und ökologische Kämpfe gegeneinander auszuspielen. Begriffe wie ›Kapitalismus‹, ›Ausbeutung‹, ›(Post-)Kolonialismus‹ oder ›Patriachat‹ vermeiden viele Menschen bei XR, um niemanden zu verschrecken. Sie sind aber keineswegs nur Schlagworte einer auf Abgrenzung bedachten radikalen Linken. Es sind auch analytische Kategorien, die wir brauchen, um zu verstehen, wogegen wir kämpfen. Wir können nachvollziehen, dass am Anfang das Bedürfnis besteht, sich nicht in ein politisches Schema einordnen zu lassen. Auch »Occupy« in den USA und die »Indignados« in Spanien haben das zunächst getan. Als Absetzungs- und Neugründungsversuch kann dies im besten Fall eine das Feld öffnende Wirkung entfalten. Damit entsteht aber ein Raum der Auseinandersetzung, der neue Organisationen und Strömungen hervorbringt. Und all das spielt sich nicht jenseits der bereits existierenden Gruppen und Strukturen ab. XR kann auch nicht als allumfassende Klammer verstanden werden. Ihr steht für einen strategischen Ansatz neben anderen. Es ist entscheidend, dass wir alle versuchen, die Konsequenzen unseres Handelns auch für andere Gruppen in der Bewegung mitzudenken. Dafür braucht es eine kontinuierliche Kooperations- und Bündnisarbeit, Streit und Verständigung, wie sie in Großbritannien bereits in Gang gesetzt wurde. Wir wünschen uns dabei, dass sich XR sehr deutlich nach rechts (und auch gegenüber verschwörungstheoretisch-esoterischen Kreisen) abgrenzt und der Zusammenarbeit mit Nazis und anderen autoritären Akteuren eine klare Absage erteilt. Nach irritierenden Aussagen einzelner XR-Aktivist*innen, scheint sich inzwischen eine klarere Linie durchzusetzen. Dies folgt in unseren Augen auch logisch aus den Grundprinzipien von XR, in denen es (neuerdings) erfreulich deutlich heißt:
»Sprache und Verhalten, das rassische Dominanz, Sexismus, Antisemitismus, Islamophobie, Homophobie, Behindertenfeindlichkeit, Klassendiskriminierung, Altersvorurteil und alle anderen Formen der Unterdrückung, einschließlich beleidigender Sprache, aufweist, werden weder in Aktionen noch anderswo und weder persönlich noch online akzeptiert.«
Die Solidaritätsbekundungen gegenüber den Opfern des Nazi-Terrors in Halle und dem kurdischen Widerstand gegen den brutalen Angriffskrieg der Türkei während der Rebellionswoche haben uns sehr gefreut. Wir hoffen, dass XR diese progressive Grundorientierung auch in Zukunft beibehält.
2. Ungewollte Ausschlüsse wahrnehmen und Repression nicht verharmlosen
Für die Verständigungs- und Orientierungsprozesse von XR-GB war ein offener Brief der britischen Klimagerechtigkeitsbewegung wichtig. Er wurde von »The Wretched of the Earth« (einer von People of Colour und Migrant*innen geprägten Grassrootsinitiative) zusammen mit vielen anderen linken Gruppen (u.a. auch »Ende Gelände«) veröffentlicht. Der Brief mahnte einen sensibleren Umgang mit Fragen von Klassenungleichheit oder rassistischer und sexistischer Ausgrenzung und Repression an. Wir nehmen wahr, dass XR-GB darauf reagiert hat und in der öffentlichen Repräsentation der Proteste inzwischen deutlich differenzierter auf diese Themen eingeht. In Deutschland hat u.a. Carola Rackete diese Perspektive innerhalb von XR durch eine Verknüpfung mit Fragen von Flucht und Migration prominent vertreten, so etwa bei ihre Rede auf der Blockade am großen Stern. Die Blockaden in London wurden diesmal von zehntausenden Menschen aus ganz unterschiedlichen Milieus und politischen Gruppen getragenen. Der »Environmental Justice Block« (EJB), zu dem neben »The Wretched of the Earth« auch »Black Lives Matter« gehörten, trat offensiv für eine Skandalisierung der Tatsache ein, dass diejenigen, die am wenigsten zur Verursachung der Klimakatastrophe beigetragen haben, am härtesten von ihren Folgen getroffen sind. Diese Sichtbarkeit von »frontline communities« ist ein entscheidender Fortschritt für eine Klimagerechtigkeitsbewegung, die der globalen sozialen Ungleichheit in der Bekämpfung des Klimawandels Rechnung trägt. Wir wünschen uns auch von XR Deutschland, gezielt auf eine solche Öffnung der Bewegung hinzuarbeiten. Und das nicht nur, um dem Vorwurf zu begegnen, es handele sich bei XR bloß um ein paar weiße Mittelschichtshippies, die durch ihre Straßenpartys hart arbeitende Menschen davon abhalten, ihre Kinder von der Kita abzuholen. Wir glauben grundsätzlich, dass nur eine Bewegung, die die verleugneten Erfahrungen der Unterdrückten ins Zentrum rückt, darauf hoffen kann, jene umfassende Veränderung, die wir für eine lebenswerte Zukunft auf diesem Planeten brauchen, tatsächlich durchzusetzen. Kofi Mawuli Klu, Koordinator des internationalen Solidaritätsnetzwerkes von XR in GB (und ein vor politischer Verfolgung aus Ghana nach Brixton geflüchteter Aktivist), benennt in diesem Zusammenhang ein Problem der XR-Strategie:
»Anders als andere, die die Bewegung von außen kritisieren, haben wir auf dem Versuch beharrt, Extinction Rebellion stärker für Menschen jenseits weißer Mittelschichten zu öffnen – aber es war schwierig. […] Rassifizierte, schwarze und migrantische Communities können es sich nicht leisten, verhaftet zu werden.«
Im oben erwähnten offenen Brief von »The Wretched of the Earth« wird dementsprechend zurecht unterstrichen:
»XR-Aktive sollten in der Lage sein, ihr Privileg, eine Verhaftung zu riskieren, zu nutzen, um zugleich auf den rassistischen Charakter von polizeilicher Überwachung und Kontrolle hinzuweisen. Obwohl einige solcher Analysen begonnen haben: Bis sie für die Organisierungsprozesse von XR zentral sind, reichen sie nicht aus.«
Die Philosophie der Gewaltlosigkeit und das strategisch begründete Bemühen von XR um konsequente Deeskalation sind völlig legitime Ansätze. Sie sollten aber nicht umschlagen in eine Verharmlosung der Repressionsapparate des Staates – nach dem Motto: »die machen auch nur ihren Job«. Lobeshymnen auf die »geliebte« Polizei konnten wir bei zahlreichen XR-Aktionen beobachten. Sie müssen all jenen bitter aufstoßen, die aufgrund ihrer sozialen Position oder ihres politischen Engagements regelmäßig staatlicher Gewalt ausgesetzt sind – und die in der Regel keine so relativ freundliche Behandlung erwarten können, wie viele XR-Aktive sie derzeit (noch) erfahren. Einzelne Polizist*innen als von der Klimakrise betroffene Menschen anzusprechen, kann sicher sinnvoll sein. Aber das sollte nicht über den Charakter des staatlichen Gewaltapparates hinwegtäuschen. Seine Hauptfunktion besteht darin, die herrschenden Macht- und Eigentumsverhältnisse abzusichern. Und umso erfolgreicher wir als Bewegung sind, umso mehr müssen wir damit rechnen, verschärfter Repression ausgesetzt zu sein. Es gibt unterschiedliche Arten, darauf zu reagieren. Es kann, abhängig von den Bedingungen, auch legitim sein, sich gegen Angriffe zu wehren. Auch denjenigen, die militantere Formen des Widerstands wählen, gilt unsere Solidarität, insoweit uns das Ziel eint, die gewalttätigen Verhältnisse zu überwinden. Die verspielt-kuschelige Protestkultur trägt für einige sicher zur Attraktivität von XR bei. Sie birgt aber die Gefahr einer (wenn auch ungewollten) Ausgrenzung derjenigen, die sich diese Naivität buchstäblich nicht leisten können. Die »wir-haben-uns-alle-lieb«-Rhetorik wirkt auf viele Menschen aufgesetzt. Eine breite Bewegung kann nicht von allseitiger persönlicher Sympathie getragen sein. Die Vorstellung, wir müssten einander nur unsere Herzen öffnen, um aus dem Kreislauf des gegeneinander auszubrechen, erscheint eher als Ausblendung der faktischen Brutalität der sozialen Wirklichkeit. Jene, die diese Härten jeden Tag spüren, dürften davon befremdet sein und sich nicht repräsentiert fühlen.
3. Aufklärung und politische Gestaltung statt Beschwörung der Apokalypse
Entscheidend für das aktuelle Momentum von XR und Fridays for Future ist die massenhafte Realisierung der eigenen existenziellen Betroffenheit durch die Klimakatastrophe. Seit Gretas Aufforderung, in Panik zu geraten, greift auch in den westlichen Industrieländern und in materiell relativ gut gestellten sozialen Lagen die Erkenntnis um sich, dass noch zu unserer Lebzeit, spätestens aber in der unserer Kinder, kaum vorstellbare Verwüstungen drohen. Die Stärke von XR besteht nach unserem Eindruck vor allem darin, nach Formen zu suchen, diesem Schock einen gemeinschaftlichen, öffentlichen Ausdruck zu verleihen. Gefühle von Angst, Wut und Trauer werden in kollektive Aktion gewendet und so auch individuell bewältigt. Das abstrakte Wissen um die zukünftige Gefahr und die schon gegenwärtigen Katastrophen im globalen Süden genügt eben nicht. Die Bewegung muss das schwer fassbare Ausmaß der Bedrohung auch dauerhaft fühlbar machen, um die in der herrschenden Kultur »normale« Verdrängungsleistung des »weiter so« aufzubrechen. Das erfordert viel Sensibilität und Achtsamkeit. Gerade weil die Befunde der Wissenschaft so erschütternd sind, muss genau und differenziert mit ihnen umgegangen werden. So richtungweisend die XR-Praxis von Aufklärungsvorträgen zur Ansprache und Mobilisierung von Menschen (gerade auch jenseits der Großstädte und der jungen Bewegungsmilieus) ist: Die XR-Erzählung eines mehr oder weniger unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruchs auch der westlichen Gesellschaften, ist ein Spiel mit dem Feuer. Die Lage ist zweifellos mehr als ernst. Wir werden voraussichtlich schon in naher Zukunft Kippunkte überschreiten und Teile des Planeten dürften unbewohnbar werden. Es stimmt: »Wir sind am Arsch« und die XR-Slogans vom Ende der Hoffnung sind eine vielleicht notwendige Provokation gegenüber den klassischen Befreiungserzählungen der Linken, die immer unglaubwürdiger werden. Aber die Szenarien sind so unsicher, wie die Zeithorizonte, in denen wir handeln können. Roger Hallam etwa behauptet, ein radikaler struktureller Umbau der globalen Wirtschafts- und Sozialsysteme müsse in den kommenden 12 Monaten erfolgen (eine offensichtlich unrealistische Vorstellung), sonst drohe der Kollaps. Bei einer solchen Erwartungshaltung dürfte der Grat zwischen Aktivierung aus dem Mut der Verzweiflung heraus und fatalistischer Resignation äußerst schmal sein. Die bei XR ständig wiederholten Bilder von Hunger, Krieg und Faschismus und die Warnung vor der Ausrottung allen menschlichen Lebens machen vor allem Angst. Und Angst ist eine Emotion, die eher dazu verleitet, die eigenen Privilegien noch härter gegen andere zu verteidigen. Das nutzt in der Regel rechten, autoritären Kräften. Euch als XR-Aktiven mag es zwar gelingen, gerade aus der Anerkennung der kommenden Katastrophen heraus Kraft für Aufrichtigkeit und Widerstand zu gewinnen. Aber in der Breite könnte diese Botschaft ganz andere Wirkungen entfalten. Dagegen käme es darauf an, die Debatte über Transformationsstrategien zu vertiefen. Das ist auf Basis des XR-Grundkonsenses nach unserer Einschätzung vor allem möglich, indem die 3. Forderung nach einer Bürger*innenversammlung konkretisiert und weiterentwickelt wird. Hier überzeugt uns manches bisher überhaupt nicht: Ein Plan zum radikalen Umbau aller Bereiche von Wirtschaft und Gesellschaft zur Erreichung von Netto-Null-Emissionen kann kaum von einer einzelnen nationalen Bürger*innenversammlung ausgearbeitet werden (auch nicht mit Unterstützung von Expert*innen). Sie wäre heillos überfordert, weil die sozial-ökologische Wende eben nicht vergleichbar ist mit einer speziellen Streitfrage wie etwa der Liberalisierung des Abtreibungsrechtes in Irland (ein von XR oft genanntes Beispiel für eine erfolgreiche Bürger*innenversammlung). Auch die Vorstellung, dass die Umsetzung an die nationale Regierung zurückdelegiert werden soll, ist wenig plausibel. Schließlich wird auch bei XR wahrgenommen, dass unser politisches System korrumpiert ist. Es erschließt sich nicht, weshalb eine von Lobbyinteressen des Kapitals geprägte Regierung einen solchen Plan mit der nötigen Entschlossenheit umsetzten sollte. Um den radikal-demokratischen Geist der 3. Forderung aus der Flasche zu lassen, müsste aus unserer Sicht klargemacht werden, dass nur eine Vielzahl solcher Versammlungen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens Chancen auf tiefgreifenden Wandel eröffnet. Es muss um eine Verlagerung konkreter Gestaltungsmacht an die jeweils besonders betroffenen Bevölkerungsgruppen gehen. Wir diskutieren das in der iL auch unter dem Stichwort »Vergesellschaftung«: In allen Institutionen, Unternehmen und Handlungsfeldern sollen demokratische Mitbestimmungsrechte ausgebaut und Macht dezentralisiert werden. An die Stelle das Wachstumszwangs und der strukturell maßlosen Profitorientierung soll damit eine gesellschaftliche Steuerung der Wirtschaft treten: eine Ausrichtung an den Grundbedürfnissen aller Menschen sowie an sozialen und ökologischen Zielsetzungen. Eine konsequente Rückverlagerung von Macht an die Bürger*innen bedeutet in der Konsequenz aber nichts anderes als die Überwindung von Kapital, Staat und Patriarchat als den dominanten Herrschaftsformen bei der Regelung der gesellschaftlichen Naturverhältnisse. Und auf diesen Weg müssen wir uns hier und heute begeben.
4. Ein selbstkritisches Schlusswort
Keiner der von uns genannten Kritikpunkte trifft auf XR insgesamt zu. Es lassen sich immer Gegenbeispiele in den verschiedenen XR Ortsgruppen finden. Grundsätzlich sind wir sehr froh, dass mit XR eine neue, schnell wachsende Gruppe entstanden ist, die auf massenhaften zivilen Ungehorsam setzt – und die dabei offensichtlich viele Menschen erreicht, die wir in den letzten Jahren mit unserer Praxis nicht erreichen konnten. Auch wir müssen uns der Kritik stellen und fragen lassen, warum das so ist und was wir aus euren Erfolgen für unsere eigene Arbeit lernen können. Für die Suche nach Antworten ist hier zwar nicht der passende Raum. Aber wir möchten doch mit ein paar selbstkritischen Gedanken enden. Die radikale Linke hat ein gewaltiges Problem mit ihrem rationalistischen Überschuss. Aus Erfahrungen des historischen Scheiterns heraus, stehen wir einer Politik des Affekts und des Pathos häufig misstrauisch gegenüber. Dabei vergessen wir aber manchmal, dass politischer Aktivismus nicht nur sachlich richtigen Argumenten folgt, sondern auch eine starke Gefühls-Ebene beinhaltet. Oft dominiert bei uns eine harte Debattenkultur, bei der ein Wort das andere gibt. Abgebrühte Coolness und völlige Verausgabung für die nächste Kampagne sind nicht selten stilprägende Verhaltensweisen. Nachhaltigen Aktivismus und einen achtsamen Umgang miteinander schreiben wir uns zwar auf die Fahnen, sehen in unserer Praxis aber viele Defizite. XR rückt dagegen die Emotionalität ins Zentrum und das ist gut so. Darin liegt ein wichtiger Impuls gegen die patriarchale Kultur der Unterdrückung von Gefühlen, Intuition und körperlicher Sensibilität. Wir müssen neue, empathische »Beziehungsweisen« (vgl. Bini Adamczak) aufbauen, um – trotz allem – utopische Ausstrahlungskraft zu entwickeln, auch inmitten einer Welt, in der Verbitterung und Abgrenzung um sich greifen. Und wir müssen in unserer politischen Praxis mehr Raum für unvermeidliche Schmerz- und Verlusterfahrungen schaffen, mehr Wahrhaftigkeit wagen. Klimawandel macht Angst, Klimapolitik macht wütend und Klima-Aktivismus führt oft zu Verzweiflung und Ausbrennen. Darüber müssen wir alle mehr reden und sorgsamer miteinander umgehen, denn wir haben noch einen langen Kampf vor uns. Wir brauchen auch vielfältigere sinnliche Ausdrucksformen für all diese Gefühle. Die besten Analysen bewirken wenig, wenn es uns nicht gelingt, politische Leidenschaften jenseits unserer eigenen Szenekreise zu entfachen. Wie Greta und auch viele Repräsentant*innen von XR zeigen, müssen wir dafür als empfindsame Einzelne öffentlich stärker sichtbar werden. Dann wirken wir auch offener auf Menschen, die aus ganz anderen Zusammenhängen kommen. Hoffnungsvolle Geschichten des Gelingens im Kleinen zu erzählen, bleibt dabei zwar wichtig. Aber sie reichen so wenig, wie vage Bilder einer ganz anderen Welt, die die Linke oft nur als Phrase aufruft und dadurch umso ferner erscheinen lässt. Die Vorstellung, dass wir besser nicht über die reale Klima-Katastrophe und die sich verdüsternden Zukunftsaussichten sprechen, dass wir bloß nicht den Teufel an die Wand malen sollen, weil das lähmt und demobilisiert, das war ein Fehler der »alten« Klimabewegung. Wenn XR fordert: »Sagt die Wahrheit!«, dann sollten wir uns das zu Herzen nehmen.
Insofern: Toll, dass es euch gibt und ihr uns herausfordert, neu nachzudenken. Dieser Text ist nur als Aufschlag für weitere Diskussionen gedacht. Wir möchten dazu gerne auf euren Vorschlag für einen runden Tisch zur Reflexion der Rebellionswoche und weiterer Perspektiven zurückkommen. Und wir hoffen, dass auch viele weitere klimapolitisch aktive Gruppen sich daran beteiligen werden.
Alle wollen Klimaschutz – trotzdem setzen Politik und Zentralbank auf Wachstum. Wie kann der Ausstieg aus dieser Spirale gelingen? Ulrike Herrmann, Sept. 2019, taz Wer vorher Autos gebaut hat, könnte in Sozialberufen arbeiten? Diese Rechnung geht nicht ganz auf Foto: dpa
Es ist Zufall, aber trotzdem symbolisch: In Frankfurt bündeln sich derzeit die Dilemmata unserer Zeit. Am Donnerstag beschloss die Europäische Zentralbank, dass sie demnächst wieder Anleihen aufkaufen will – um das Wachstum anzukurbeln. Zeitgleich schlenderte Kanzlerin Merkel über die Automobilmesse und sagte nichts Konkretes zum Thema Klimaschutz – um das Wachstum der Branche nicht zu gefährden. Derweil entrollte Greenpeace beim VW-Stand ein Transparent mit der Aufschrift „Klimakiller“.
Für Samstag und Sonntag sind in Frankfurt weitere große Protestaktionen gegen die Automesse geplant. Denn klar ist: Die Klimaziele werden garantiert nicht erreicht, wenn weiterhin SUVs umherfahren.
Es ist zwar neu, dass auf der Automesse protestiert wird. Aber die Fronten sind altbekannt: Ökonomie steht gegen Ökologie – und im Zweifel siegt der Wunsch nach Wachstum. Viele Deutsche sind zwar schockiert, dass nun schon der zweite Dürresommer zu Ende geht und die Wälder vertrocknen. Auch der Streik der Schüler hat beeindruckt. Doch substanziell ändert sich nichts.
Derzeit verbraucht die westdeutsche Wirtschaft so viele Ressourcen, als ob sie drei Planeten zur Verfügung hätte – es gibt aber nur die eine Erde. Warum wird nicht umgesteuert?
Es gibt immer wieder Krisen – aber sie werden nur überwunden, solange es Aussicht auf neues Wachstum gibt
Der Verzicht auf Wachstum ist nicht so einfach, wie viele Klimaaktivisten glauben. Sie meinen häufig, dass es reichen würde, das Volkseinkommen ein bisschen umzuverteilen. Sehr plastisch hat es Tina Velo auf den Punkt gebracht, die die Protestaktion „Sand im Getriebe“ an diesem Sonntag in Frankfurt organisiert. Sie schlägt vor, die heutigen Mitarbeiter der Automobilkonzerne umzuschulen. „Wir werden Busfahrerinnen und Busfahrer brauchen, Pflegerinnen und Pfleger, Erzieherinnen“.
Keine Frage: Deutschland könnte deutlich mehr Personal in Altersheimen und Kitas gebrauchen. Trotzdem geht Velos Aussage am eigentlichen Problem vorbei, weil sie statisch denkt und den Prozess des Umbaus ignoriert. Bei ihr gibt es nur ein Vorher und ein Nachher: Jetzt arbeiten Hunderttausende in der Automobilindustrie – und dereinst sind viele von ihnen in Sozialberufen tätig.
Kapitalismus benötigt Wachstum
Das Problem taucht jedoch beim Übergang auf, und damit ist nicht gemeint, dass sich vermutlich viele Autobauer schwer damit tun dürften, plötzlich in einen Sozialberuf zu wechseln. Die Schwierigkeiten sind fundamentaler. Der Kapitalismus benötigt Wachstum, um stabil zu bleiben. Zwar gibt es immer wieder Krisen – aber sie werden nur überwunden, solange es Aussicht auf neues Wachstum gibt.
Alle sind sich einig, dass wirksamer Klimaschutz verlangt, dass weniger Autos gebaut werden. Doch damit würde eine Spirale nach unten einsetzen. Etwas vereinfacht: Weniger Umsatz bedeutet, dass die Autofirmen Mitarbeiter entlassen müssten, die dann auch weniger konsumieren könnten. Kneipen und Läden würden Kunden verlieren. Ganze Regionen würden verarmen und zugleich die gezahlten Steuern und Sozialbeiträge schrumpfen. Es wäre gar kein Geld mehr da, um die einstigen Autobauer in Kindergärten zu beschäftigen.
Für eine Wirtschaft ohne Wachstum gibt es kein Modell. Zwar wird das Ende der Steinkohle gern als Beispiel zitiert, wie ein Branchenwandel gelingen könnte. Doch dabei wird oft übersehen, dass die Ruhrkumpel nur neue Jobs finden konnten, weil die deutsche Wirtschaft ansonsten wuchs.
Bisher hat niemand systematisch erforscht, wie der Übergang in eine Postwachstumsgesellschaft aussehen könnte, die Krisen vermeidet und ein Einkommen für alle garantiert. Es wäre eine Aufgabe für die Volkswirte, die das Thema jedoch bisher ignorieren.
Die Proteste der Klimaaktivisten sind sehr wichtig. Man kann nicht drei Planeten verbrauchen, wenn man nur einen hat. Aber eine ökonomische Lösung fehlt noch, wie der Ausstieg aus dem Wachstum gelingen könnte – und muss dringend erforscht werden.
Wer Klima und Menschheit retten will, muss an den Wurzeln ansetzen: Die kapitalistische Weltwirtschaft ist aufgrund der ihr innewohnenden, zunehmenden Widersprüche nicht in der Lage, die drohende Katastrophe abzuwenden. Ein Diskussionsbeitrag.
Besonders zu Beginn der Proteste der Fridays-for-Future-Bewegung prangerten deren Kritiker gerne die scheinbare Inkonsequenz der Streikenden an: Es seien größtenteils Mittelklasse-Kids, die von ihren Eltern mit lukrativen Jobs in energiehungrigen Konzernen in spritfressenden SUVs zur Demo chauffiert würden. Das Alltagsverhalten der Protestierenden würde also ihren eigenen Postulaten einer radikalen ökologischen Wende widersprechen. An wenigen Orten tritt dieses absurde Phänomen deutlicher zutage als in den "Autostädten" wie Wolfsburg oder eben Stuttgart, den Zentren der deutschen Exportindustrie, die den Verbrennungsmotor in alle Winkel der globalisierten Welt ausführt. Das Auto scheint den Regionen ihren Wohlstand zu verschaffen – und es ist Träger der drohenden ökologischen Verwerfungen.
Doch diese evidente Widersprüchlichkeit ist gerade keine Frage der subjektiven Heuchelei angeblicher "Gutmenschen", wie es die Neue Rechte in ihrer reaktionären Kritik der Klimaproteste gerne behauptet. Sie ist die Folge der dem Kapitalismus innewohnenden Widersprüche, die sich auch im Handeln der einzelnen Subjekte widerspiegeln. Konkret: Die soziale Existenz unterm Kapital ist gegenwärtig nur um den Preis der eskalierenden Klimakatastrophe möglich. Die kapitalistische Ökonomie ist, wie hier gezeigt werden soll, nicht in der Lage, die ökologische Krise zu lösen.
Wachstumszwang und endliche Ressourcen
Einen ersten Ansatzpunkt, die Unvereinbarkeit von Kapitalismus und Klimaschutz zu erfassen, bietet der Wachstumszwang, der die kapitalistischen Volkswirtschaften charakterisiert – die, sobald die Konjunktur erlahmt, in den Krisenmodus übergehen. Das permanente, uferlose Wachstum des Bruttosozialproduktes ist dabei nur der volkswirtschaftliche Ausdruck der Verwertungsbewegung des Kapitals. Als Kapital fungiert Geld, das durch einen permanenten Investitionskreislauf vermehrt, also "akkumuliert" oder "verwertet" werden soll.
Entscheidend dabei ist: Diese Akkumulationsbewegung ist an eine stoffliche Grundlage in der Warenproduktion gebunden. Der Verwertungsdynamik des Kapitals muss – einem Waldbrand gleich – immer neues "Brennmaterial" zugeführt werden. Spätestens seit dem Ausbruch der Finanzkrise ab 2007 dürfte klar geworden sein, dass der Prozess der Kapitalakkumulation an die Warenproduktion gekoppelt ist – und nicht etwa auf den Finanzmärkten aufgrund reiner Spekulationsprozesse dauerhaft aufrechterhalten werden kann.
Auch die Idee einer Dienstleistungsgesellschaft nach dem Vorbild der USA, die sich von der warenproduzierenden Industrie weitgehend entkoppelt haben, hat sich als Chimäre entpuppt. Ohne nennenswerte warenproduzierende Industrie geht die gesamte kapitalistische Volkswirtschaft langfristig vor die Hunde. Deswegen stellen die gegenwärtigen Handelskonflikte, insbesondere zwischen den USA und China, vor allem Kämpfe um Standorte der Warenproduktion dar.
Trump will die USA wieder "groß machen", indem er sie durch Protektionismus reindustrialisiert. Alle größeren Volkswirtschaften und Wirtschaftsräume sind bemüht durch entsprechende Politik, durch Protektionismus oder Exportorientierung, ihre Industrie zu halten oder auf Kosten der Mitbewerber zu sanieren. Der Exportweltmeister BRD ist hier das große Vorbild.
Die aktuellen Handelskriege sind damit eine implizite Bestätigung des Marx'schen Wertbegriffs. Demnach wird Wert hauptsächlich bei der Warenproduktion generiert. Ohne nennenswerten Industriesektor zerfällt die Dienstleistungsbranche in eine Elendsökonomie nach US-Vorbild, die Finanzmärkte gehen in Blasenbildung und Crashs über.
Wie gestaltet sich nun der Kernprozess der Verwertung von Kapital? Auf der bornierten betriebswirtschaftlichen Ebene scheint ja alles rationell abzulaufen: Ein Unternehmen investiert in Lohnarbeit, Rohstoffe, Maschinen, Produktionsstandorte, um die dort hergestellten Waren mit Gewinn zu veräußern – wobei die Lohnarbeit alleinige Quelle des Mehrwerts ist. Es ist die einzige, auf dem Arbeitsmarkt zu erwerbende Ware, die mehr Wert herstellen kann, als sie selbst wert ist. Letztendlich akkumuliert das Kapital immer größere Mengen verausgabter, abstrakter Arbeit. Hiernach wird das nunmehr vergrößerte Kapital reinvestiert – in mehr Rohstoffe, Maschinen etc., um einen neuen Verwertungskreislauf zu starten. Die scheinbare Rationalität kapitalistischer Warenproduktion auf betriebswirtschaftlicher Ebene dient somit gesamtgesellschaftlich einem irrationalen Selbstzweck, einer verselbstständigten und unkontrollierbaren Dynamik: Der uferlosen Vermehrung des eingesetzten Kapitals.
Der konkrete Gebrauchswert einer Ware ist dabei nur als notwendiger Träger des Mehrwerts von Belang. Und genauso sehen auch die Gegenstände aus, die diese kapitalistische Verwertungsmaschine ausspuckt: Sie sollen durch moralischen Verschleiß oder durch geplante Obsoleszenz möglichst schnell veralten, unbrauchbar und ersetzt werden, damit die Nachfrage nie gesättigt ist. Die Autoindustrie muss Jahr um Jahr neue Modelle auf den Markt werfen, Apple-Notebooks mit Unibody können kaum noch repariert werden, und nichts ist peinlicher als das iPhone vom vorletzten Jahr. Der Spätkapitalismus produziert buchstäblich für die Müllhalde, um hierdurch der stockenden Verwertungsmaschine immer wieder neue Nachfrage zu verschaffen. Und dies ist ja für jedes Marktsubjekt nur zu vernünftig.
Die Produktivitätsfalle
Auf gesamtgesellschaftlicher Ebene entfaltet diese Logik aber ihr verheerendes Potenzial, da mit erfolgreicher Kapitalakkumulation auch die Aufwendungen für den Produktionsprozess – Rohstoffe und Energie – permanent erhöht werden müssen. Somit gleicht schon das kapitalistische "Business as usual" einem Prozess der Verbrennung von immer mehr Rohstoffen. Die zusehends schwindenden Ressourcen dieser Welt bilden das immer enger werdende Nadelöhr, durch das sich dieser irrationale Prozess der Kapitalverwertung unter immer größeren Friktionen hindurchzwängen muss. Beide ökologischen Krisenprozesse – die Ressourcenkrise wie die Klimakrise – werden durch diesen Verwertungsprozess, der wie ein automatisch nach Maximalprofit strebendes Subjekt agiert, entscheidend befördert.
Das Kapital als verselbstständigte Dynamik (Marx sprach in diesem Zusammenhang vom "Fetischismus") ist aufgrund dieser Notwendigkeit permanenter Expansion das logische Gegenteil einer ressourcenschonenden Wirtschaftsweise, die notwendig wäre, um ein Überleben der Zivilisation zu sichern. Die Menschen sind unterm Kapital einer blindwütigen Verwertungsdynamik ausgeliefert, die sie buchstäblich selber erarbeiten.
Befeuert wird dieser Prozess der Weltverbrennung durch das immer höhere Produktivitätsniveau der kapitalistischen Weltwirtschaft. Hier ließe sich von einer regelrechten Produktivitätsfalle sprechen: Es sind gerade die ungeheuren Produktivitätssteigerungen der spätkapitalistischen Warenproduktion, die zur Eskalation der ökologischen Krise maßgeblich beitragen. Mit technologischen Fortschritten müsste es eigentlich möglich sein, Ressourcen immer effizienter zu verwerten – tatsächlich aber steigt ihr Verbrauch in der Gesamtbilanz Jahr für Jahr. Da die Lohnarbeit die Substanz des Kapitals bildet, führen die permanenten Steigerungen der Produktivität dazu, dass die "effiziente" Verschwendung von Ressourcen ins Extrem getrieben wird. Je höher die Steigerung der Produktivität, desto weniger abstrakte Arbeit ist in einem gegebenen Quantum Ware verdinglicht. Mit steigender Produktivität nimmt der Druck zu, immer mehr Waren abzusetzen. Wenn etwa ein Fahrzeughersteller die Produktivität um zehn Prozent bei der Einführung eines neuen Fahrzeugmodells erhöht – was durchaus branchenüblich ist –, dann muss er auch zehn Prozent mehr Autos umsetzen, um bei gleichem Produktpreis die gleiche Wertmasse zu verwerten – oder jeden zehnten Arbeiter entlassen.
Um den Verwertungsprozess des Kapitals aufrechtzuerhalten, müssen daher bei steigender Produktivität entsprechend mehr Waren produziert und abgesetzt werden. Je größer die Produktivität der globalen Industriemaschinerie, desto größer ist also auch ihr Ressourcenhunger, da die Wertmasse pro produzierter Einheit tendenziell abnimmt. Ein Versuch, in der kapitalistischen Weltwirtschaft eine ressourcenschonende Produktionsweise einzuführen, ist somit unmöglich – er käme einer Kapitalvernichtung gleich.
Es scheint absurd: Eine Produktivitätssteigerung, die eigentlich zur Realisierung einer ressourcenschonenden Wirtschaftsweise unabdingbar ist, wirkt im Kapitalismus wie ein Brandbeschleuniger. Denn die funktionalistische Rationalität muss stets dem irrationalen Selbstzweck uferloser Kapitalverwertung dienen. Aus diesem durch Rationalisierungsschübe ins Extrem getriebenen Verwertungszwang ergibt sich die besagte Tendenz zur immer weiter beschleunigten effizienten Ressourcenverschwendung.
Chimäre Green New Deal
Das globale Produktivitätsniveau lässt auch die Vorstellung einer ökologischen Energiewende binnenkapitalistisch zu einer Chimäre verkommen, die im Rahmen des "Green New Deal" gerade diskutiert wird. Die Idee, durch staatliche Investitionsprogramme mit der "Ökobranche" eine neue Leitindustrie zu etablieren, scheitert an der mangelnden Verwertung von Lohnarbeit in der Warenproduktion. Den notwendigen massiven Investitionen in eine entsprechende Infrastruktur stehen keine Massen von Arbeitsplätzen in der Ökobranche gegenüber, deren Besteuerung die Staatsinvestitionen tragen könnte.
Der Vergleich mit dem Fordismus kann hier lehrreich sein. Es ist illusorisch zu glauben, dass bei der Produktion in der "ökologischen" Industrie im 21. Jahrhundert solch hohe Beschäftigungseffekte erzielt werden könnten, wie sie im Zuge der Automobilmachung des Kapitalismus in den 1950er oder 1960er Jahren erreicht wurden. Solarzellen und Windkrafträder werden nicht so produziert wie Autos noch vor wenigen Jahrzehnten, als Tausende ArbeiterInnen an endlosen Montagebändern in genau festgelegten Zeitintervallen stupide Handgriffe tätigten. Bei der heute erreichten Automatisierung gelten auch für die Herstellung alternativer Energieträger ähnliche Probleme der "Überproduktivität", die die deutsche Autoindustrie und der Maschinenbau nur durch Exportoffensiven auf Kosten anderer Volkswirtschaften kompensieren können. Deswegen diskutieren auch alle über die Kosten, und nicht über die Chancen einer "Energiewende".
Antikapitalistische "Ende Gelände"-AktivistInnen blockieren ein Kohlekraftwerk in Karlsruhe, Februar 2019.
Ein ökologischer Wandel hätte sich allein wegen der krisenbedingt zunehmenden Konkurrenz zwischen Konzernen und Nationalstaaten längst durchgesetzt, wenn er einen Konkurrenzvorteil böte und den nationalen Standorten neue wachstumsstarke Industrien erschließen würde. Aufgrund des sehr ungünstigen Verhältnisses zwischen den gigantischen Kosten und der mageren reellen Verwertung von Arbeitskraft in der »Ökobranche« ist die Energiewende aber eher ein Klotz am Bein der Nationalstaaten im globalen Konkurrenzkampf. Deutschland hat es ja bereits im Rahmen seiner Energiewende versucht – mit bekanntem Ausgang. Inzwischen ist die Bundesrepublik einer der größten Klimasünder Europas. Ein kapitalistischer Green New Deal scheitert somit an den eskalierenden inneren Widersprüchen des hyperproduktiven Kapitalismus.
Zukunft nur jenseits des Kapitals
Dabei sind die materiellen und technischen Bedingungen einer ökologischen Wende längst gegeben. Das enorme Produktivitätspotential, das die Umweltzerstörung aktuell nur weiter beschleunigt, könnte jenseits des Kapitalverhältnisses zur Errichtung einer nachhaltigen Wirtschaftsweise beitragen. Erst wenn die gesellschaftliche Reproduktion nicht mehr dem Selbstzweck der Kapitalverwertung untergeordnet ist, sondern direkt der Befriedigung der menschlichen Bedürfnisse dient, kann eine ökologisch nachhaltige Wirtschaftsweise umgesetzt werden. Eben dies müsste auch die sich formierende Klimabewegung reflektieren.
Beim Kampf gegen den drohenden ökologischen Kollaps geht es somit nicht um einen reaktionären Antiproduktivismus, um eine Rückkehr zu archaischen Produktionsweisen. Vielmehr müssten die technischen Möglichkeiten, die der Kapitalismus hervorgebracht hat, in einem ungeheuren transformatorischen Akt jenseits des Kapitalverhältnisses zum Aufbau einer nachhaltigen Gesellschaftsformation verwendet werden. Die Produktivitätsfortschritte, die derzeit nur die Verbrennung der globalen Ressourcen beschleunigen, würden dann tatsächlich deren Schonung ermöglichen. Es geht letztendlich, auch im Zusammenhang mit dem Kampf gegen die Klimakrise, um die Befreiung der Produktivkräfte aus den Fesseln der kapitalistischen Produktionsverhältnisse.
Die Überwindung des Kapitals als einer verselbstständigten gesamtgesellschaftlichen Dynamik stellt folglich eine Überlebensfrage der Menschheit dar. Die ökologische Bewegung müsste bei ihrer diesbezüglichen Argumentation somit nicht so sehr an die Moral der Menschen appellieren, sondern an ihren Überlebensinstinkt.
Mit dem Markt gegen die Klimakatastrophe? Einleitung und Überblick Dieser Reader des Wissenschaftlichen Beirats von Attac greift eines der ernstesten und im Wortsinn brennendsten Themen der Gegenwart auf. Der Klimawandel bedroht uns alle, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Wir müssen sehr schnell, schneller als es in den Klima-vereinbarungen heute angestrebt wird, eine Reduktion der Emission von Treibhausgasen erreichen – und dies in einem Ausmaß, das nach allen Verbrauchsprognosen der fossilen Energien fast ausgeschlossen scheint. Notwendig wären 50% weniger Kohlendioxid (CO2)-Emissionen bis 2050, wenn die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre unter der kritischen Grenze von 450 ppm (parts per million) gehalten werden soll. Doch wie könnte dies erreicht werden? Es gibt nur vier Wege: Auf dem ersten wird eine Erhöhung der Energieeffizienz angestrebt, um pro Einheit Sozialprodukt weniger fossile Energie zu konsumieren. In der Energie- und Klimapolitik gilt dieser Weg als eine Art Königsweg, da auf ihm am wenigsten Widerstand zu erwarten ist. Denn von einer Effizienzsteigerung beim Energieeinsatz können, so scheint es, alle nur gewinnen. Der zweite Weg führt in den globalen Süden. Dort finden sich erstens Senken, die CO2 binden könnten, z.B. aufgeforstete Wälder. Doch wird in ganz andere Projekte investiert, weil Klimaschutz dort preiswerter zu haben sei. So könnten in Asien oder Südamerika anstatt in Europa durchgeführte Projekte die globalen CO2-Vermeidungskosten verringern. Dies käme letztlich dem Klimaschutz zugute, weil mit dem gleichen Aufwand mehr CO2-Reduktionen zu haben seien. Das meinen die Befürworter. Auf dem dritten Weg wird das emittierte CO2 bei der Verbrennung abgeschieden, eingefangen und in Kavernen der Erdkruste gespeichert (Carbon Capturing and Storage, CCS). Nur der vierte Weg führt fort vom fossilen Energieregime in die Welt der erneuerbaren Energieträger und zu Strukturen, die den Energieverbrauch nachhaltig senken. Die noch vorhandenen fossilen Reserven bleiben in der Erde. Welcher Weg beschritten wird, ist eine Frage politischer Entscheidungen. Diese können auf Anreizsysteme, auf Gebote und Verbote, aber auch auf Aufklärung und politische Bildung abzielen. Im Kyoto-Abkommen hat man sich vor allem auf das Anreizsystem des Marktes festgelegt. Der Markt – Dein Freund und Helfer? Es ist paradox, dass internationale Klimapolitik seit etwa einem Jahrzehnt den Eintrag von CO2 und anderer Treibhausgase in die Atmosphäre vor allem mit Instrumenten des Marktes begrenzen will. Denn ein Markt für CO2 existiert gar nicht. CO2 hat keinen Gebrauchswert, mit dem Bedürfnisse befriedigt werden könnten, im Gegenteil, es ist schädlich; der Stoff lässt sich also nicht in eine Handelsware verwandeln. CO2 hat auch keinen Wert, der als Marktpreis ausgedrückt werden könnte, im Gegenteil, es handelt sich um einen Unwert, den man möglichst schleunigst loswerden möchte – wenn es denn so einfach wäre. Also bietet es sich eigentlich an, die CO2-Emissionen ordnungsrechtlich, mit gesetzlichen Geboten und Verboten, mit Grenzwerten und technischen Auflagen zu unterbinden, nicht aber Marktmechanismen eines zunächst gar nicht existenten Marktes zu bemühen. Doch sehen die marktmäßigen Instrumente des Klimaschutzes sehr elegant aus. Sie passen in das Weltbild einer globalen liberalen Ordnung, in der Markt vor Planung, Wirtschaft vor Politik und privater Sektor vor öffentlichen Gütern und Staat rangieren. Dessen Charme sind auch viele Umweltbewegte, Globalisierungskritiker, Vertreter von grünen und linken Parteien und die Mehrzahl der Umweltökonomen verfallen. Sie lassen sich von der versprochenen List einer Idee faszinieren: Preissignale und Gewinnanreize sollen so gesetzt werden, dass die Verfolgung individueller Interessen zu einem für alle, ja für die Gesamtheit der sechs Milliarden Erdenbürger optimalen Ergebnis führt, nämlich zu einer Reduktion der Treibhausgasemissionen um den Prozentsatz, der klimapolitisch notwendig ist – ohne Gebote und Verbote, staatliche Bürokratie, in aller Marktfreiheit. Da aber ein Markt für Verschmutzungsrechte nicht existiert, muss dieser geschaffen werden. Es muss etwas zur Handelsware gemacht werden, das eigentlich nicht handelbar ist. In der neoliberalen Vorstellung ist dies ein politischer Kunstgriff, der jedoch den Dingen ihre eigentliche Natur gibt, nämlich Handelsobjekt von Privaten zu sein. Das Machen eines Marktes durch Kontextsteuerung, wie es Fisahn in diesem Reader formuliert, ist freilich voraussetzungsvoll. Zwar wird die Atmosphäre, in der die Treibhausgase ja abgeladen werden, nicht privatisiert, und CO2 wird kein privater Vermögenswert. Wohl aber werden Rechte zur Verschmutzung der Atmosphäre politisch durch den Staat konstruiert (allowances). Diese werden dann an CO2-Emittenten gemäß einem nationalen Allokationsplan vergeben – fast kostenlos wie bislang in der EU oder gegen einen in einem Versteigerungsverfahren ermittelten Preis. So soll es möglicherweise ab 2012 auch in der EU geschehen, sofern nicht Lobby-Interessen dies verhindern. Also wird auch die Knappheit des Wirtschaftsgutes Verschmutzungsrecht künstlich, d.h. politisch festgelegt, durch Obergrenzen der Emissionen (cap) nämlich. Der grüne Klimakapitalismus ist also nur deshalb so charmant, weil er durch und durch politisiert ist. Die CO2-Verursacher verfügen nun über ein individuelles ökonomisches Recht auf Verschmutzung der Atmosphäre. Sie erhalten eine politisch zertifizierte Ware, die sie handeln können, wie Speckseiten, Ölfässer, Weihnachtsschmuck oder Aktien und Optionsscheine. Diese Art und Weise der Problemlösung ist tief in das kapitalistische Gesellschaftssystem und die Vorstellung der Naturbeherrschung eingelassen, wie Biesecker/von Winterfeld aus historischer Perspektive zeigen. Doch, so Ptak in seinem Beitrag, funktionieren Zertifikatemärkte nicht wie Wochenmärkte, auf denen man nicht nur einkauft, sondern auch gern ein Schwätzchen hält. Sie haben globale Reichweite, sie sind vermachtet, sie unterliegen der harten Standortkonkurrenz und werden in die Machenschaften auf Finanzmärkten und in deren Krisentendenzen hineingezogen (vgl. dazu den Beitrag von Altvater). Die Preisbewegungen auf einem Kunstmarkt wie dem für Emissionszertifikate sind erratisch und extrem volatil, wie Nell/Semmler/Rezai in diesem Reader belegen. Der Wert von Zertifikaten auf dem Markt hat nichts mit Kosten von Arbeit und Kapital zu tun, und da es keine zuzuordnenden Kosten gibt, erfolgt die Preisbildung auf dem Zertifikatemarkt außer-halb von Raum und Zeit. Auf einem geschichtslosen Markt schwanken die Preise der Zertifikate wie Schilfrohr im Winde. Daher überrascht die hohe Volatilität nicht. Bei den marktbasierten Lösungsansätzen steht die neoliberale Property Rights-Schule Pate (so Ptak), die über die Ausweitung von privaten Verfügungsrechten neue Märkte zu konstituieren trachtet, nicht zuletzt um den öffentlichen Sektor zurückzudrängen. Die Natur – hier die Atmosphäre – wird als Aufnahmemedium für Abfallstoffe und Emissionen begriffen. Als solches ist sie in der fossilen Ökonomie physikalisch notwendig. Also können durch einen politischen Akt handelbare Verschmutzungsrechte geschaffen und einer Gruppe von Akteuren kostenlos oder gegen Entgelt zugeteilt werden. Sie haben nun das in handelbaren Zertifikaten verbriefte Recht auf eine bestimmte Menge an Emissionen. Dass es hierbei große Unterschiede in der Gestaltung wie der Funktions- und Wirkungsweise geben kann, führt Schreurs in ihrem Überblick über verschiedene Handelssysteme aus. Der Kunstgriff des Emissionshandels ist zwar faszinierend. Doch die Gewissheit, die notwendige Reduktion der Emission von Treibhausgasen mit marktbasierten Instrumenten erreichen zu können, ist Zweifeln gewichen. Denn die empirischen Erfahrungen mit dem Emissionshandel (vor allem mit dem europäischen cap and trade-System) sind enttäuschend. Die marktbasierten Instrumente sollten (auf dem ersten der oben bezeichneten vier Wege) über eine Effizienzsteigerung beim Energieeinsatz die Emissionen senken und auf dem zweiten Weg (mit Hilfe von Clean Development Mechanism [CDM] und Joint Implementation[JI] – vgl. dazu Witt/Moritz in diesem Reader) dafür sorgen, dass Klimaschutz erstens billiger wird und zweitens die Kohlenstoffsenken genutzt werden, durch die CO2 der Atmosphäre entzogen werden könnte (zum Kohlenstoffzyklus vgl. den Beitrag von Altvater). Die bisherigen CDM-Projekte leisten dies völlig unzureichend. Wenn dem Marktmechanismus nicht vertraut werden kann (vgl. aber Schäfer/Creutzig in diesem Reader), sind Umweltsteuern (eine carbon tax), so Nell/Semmler/Rezai, sowie ordnungsrechtliche Regelungen, so Fisahn, ein probates Mittel. Darüber hinaus muss – auf dem vierten Wege – ein sozial-ökologischer Umbau in Richtung einer solaren Gesellschaft, die sich weniger marktbasierter Instrumente bedient, als erneuerbare Energieträger nutzt, zum wichtigsten umweltpolitischen Ziel werden, so Mez/Brunnengräber im abschließenden Beitrag. Gerechtigkeitsfragen und die Frage, welche Rolle dabei der Emissionshandel spielen kann, werden von Santarius diskutiert. Es ist die Botschaft dieses Readers, dass alle vier Wege gangbar sind. Zielführend, nämlich fort vom fossilen Ener-giesystem zu gelangen und Klimaschutz Wirklichkeit werden zu lassen, jedoch ist vor allem der vierte Weg.
Zur Erinnerung: Die flexiblen Klimaschutzinstrumente von Kyoto Mit dem 1997 unterzeichneten Kyoto-Protokoll sind 38 Industrie- und Transformationsländer (die so genannten Anhang-B-Staaten) Verpflichtungen zur Reduktion der Emissionen von Treibhausgasen eingegangen. Das im Vertrag festgelegte Gesamtreduktionsziel lautet: minus 5,2% im Durch-schnitt der Jahre 2008 bis 2012 gegenüber 1990. Der Hauptteil der Einsparungen soll jeweils im eigenen Land erfolgen. Um die Kosten von Klima-schutzinvestitionen zu senken, können Staaten und Unternehmen aber auch drei flexible Instrumente nutzen, die es ihnen erlauben, ihre Verpflichtungen teilweise im Ausland zu erbringen: den Emissionshandel (Emissions Trading, ET), die Gemeinsame Umsetzung (Joint Implementation, JI) und den Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (Clean Deve-lopment Mechanism, CDM). Der Kyoto-Emissionshandel ist nur zwischen Anhang-B-Ländern zulässig. Ihnen ist es seit 2008 gestattet, Kyoto-Emissionsrechte (Assigned Amount Units, AAU) zu kaufen oder zu verkaufen. Dabei werden Teile des ursprünglich durch das Kyoto-Protokoll zugewiesenen Emissionsbudgets von einem Land auf das andere übertragen. Bereits am 1. Januar 2005 startete in der Europäischen Union ein Emissionshandelssystem, bei dem nicht Staaten, sondern Betreiber energieintensiver Anlagen eine begrenzte Menge handelbarer Zertifikate für den Ausstoß von Kohlendioxid erhalten (European Allowance Units, EAU). Dieser wird gelegentlich mit dem Kyoto-Emissionshandel verwechselt. Letzterer ermöglicht Anhang-B-Staaten, die mit ihrem Treibhausgasausstoß über ihrer Kyoto-Verpflichtung liegen, EAUs von anderen Anhang-B-Staaten zu kaufen, deren Treibhausgasemissionen unter den Kyoto-Verpflichtungen liegen. Der anlagenbezogene EU-Emissionshandel ist hingegen auf einzelne Sektoren der Volkswirtschaft begrenzt – derzeit auf die Energiewirtschaft und die Industrie. Verkehr, Handel und Dienstleistungen sowie private Verbraucher sind bislang in das Handelssystem nicht einbezogen. Bei JI und CDM investieren Staaten, Unternehmen oder so genannte Carbonfonds in Klimaschutzprojekte im Ausland, zum Beispiel in Anlagen zur Erzeugung regenerativer Energien, in höhere Energieeffizienz oder in die Neutralisierung von Methangasen aus der Abfallwirtschaft. In der Folge erhalten sie Emissionsgutschriften in Höhe der eingesparten Treibhausgase. Diese können die Investoren und Projektpartner im Gastland zur Abrechnung eigener Reduktionsverpflichtungen nutzen bzw. am Emissionshandelsmarkt verkaufen. JI-Vorhaben sind analog zum Kyoto-Emissionshandel nur zwischen Staaten mit quantitativen Emissionszielen, also innerhalb der Anhang-B-Ländergruppe, gestattet. Emissionsgutschriften (Emission Reduction Units, ERU) daraus sind seit 2008 möglich. Im Unterschied zum JI-Mechanismus fungieren bei CDM-Projekten nicht Industrieländer, sondern Entwicklungsländer als Gastländer. Die dort erzielten Emissionsreduktionen (Certified Emission Reductions, CER) können rückwirkend bis zum Jahr 2000 anerkannt werden, sofern sie gegenüber der UN nachweisen, dass die Reduktionen zusätzlich sind und ohne CDM-Mechanismus nicht stattgefunden hätten.
Elmar Altvater / Achim Brunnengräber (Hrsg.) Ablasshandel gegen Klimawandel? Marktbasierte Instrumente in der globalen Klimapolitik und ihre Alternativen Reader des Wissenschaftlichen Beirats von Attac 240 Seiten | 2008 | ISBN 978-3-89965-291-8 1
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Eine Kritik der EU-Handelspolitik Autor: Arndt Hopfmann, rls-Referent im Büro Brüssel Erschienen Februar 2019
Freihandelsverträge der EU (2019) Freihandelsverträge der EU (2019) Datastat [Public domain], via Wikimedia Commons
Die EU-Handelspolitik steht seit 2015 unter dem Motto «Handel für alle». Angesichts des Inhalts der circa 20 Abkommen, die die Europäische Kommission derzeit – mit viel Eifer und offensichtlicher Eile – auszuhandeln bestrebt ist, sollte das Credo allerdings eher «Freihandel mit allen» heißen. Aber selbst das greift genau genommen noch zu kurz. Denn bei diesen Verhandlungen geht es um weit mehr als nur handelspolitische Vereinbarungen. Es geht um das Festhalten an einer neoliberalen Variante der Globalisierung, bei der insbesondere die merkantilistisch orientierten großen EU-Mitgliedsstaaten – allen voran Deutschland – bemüht sind, nicht nur wachsende Handelsbilanzüberschüsse gegenüber dem Rest der Welt zu erzielen, sondern auch weiterhin allein die Spielregeln zu bestimmen, wirtschaftspolitische Standards zu setzen und diese auf möglichst lange Zeit festzuschreiben. Angesicht der aktuellen Entwicklungen, die mit dem breiten Widerstand gegen TTIP (der Transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen der EU und den USA) und TISA (Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen) einen vorläufigen Höhepunkt erreichten, und die infolge der America-First-Strategie des US-Präsidenten durch neue handelspolitische Konflikte gekennzeichnet sind, steht jedoch die bisherige Freihandelsstrategie auf der Kippe, sodass die EU-Kommission derzeit versucht, möglichst rasch noch möglichst viele Freihandelsfakten zu schaffen, bevor Varianten einer eher protektionistischen Politik weltweit an Einfluss gewinnen.
Es geht um weit mehr als Handel, nämlich um eine dauerhafte neoliberale Ausrichtung der Wirtschaftspolitik
Im Kern folgt das 2015 verkündete neue Paradigma, das laut EU-Kommission auf mehr Wirksamkeit, Transparenz und Werte setzt, jedoch den Grundzügen, die die EU bereits 2006 postulierte und die damals unter «Global Europe» firmierten. Nach wie vor besteht das Ziel der EU-Handelspolitik darin, die EU zum «wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt» zu machen (European Union 2006). Die dahinterstehende Exportstrategie kann freilich nur funktionieren, wenn weltweit Freihandel und liberale Marktöffnung als wirtschaftspolitische Dogmen anerkannt werden.
Die Welthandelsorganisation (WTO), die dafür eigentlich 1994 als eine Art globale Liberalisierungsagentur geschaffen wurde, erwies sich infolge des hinhaltenden Widerstands der Entwicklungsländer als immer weniger zweckdienlich. Deshalb wurde zunächst ein Prozess in Gang gesetzt, in dem mithilfe der Schaffung von sogenannten Mega-Regional-Abkommen (wie TTIP oder die Transpazifische Partnerschaft – TPP) versucht wurde, globale Standards – auch gegen die stärker werdende Konkurrenz aus den sogenannten BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) – im Interesse von USA und EU zu bestimmen und weltweit durchzusetzen.
Diese Strategie ist mit dem Amtsantritt von Donald Trump als US-Präsident vorläufig ins Stocken geraten, weil die Trump-Administration durch den rigorosen Einsatz einer aggressiven Schutzzollpolitik bestrebt ist, das bestehende multilaterale Handelsregime zum Vorteil für die USA umzugestalten und dafür die bisher von den G-7-Ländern einvernehmlich verfolgte Handelsdoktrin in eine America-First-Freihandelsordnung zu verwandeln. Wie auch die Neuverhandlung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA) beweist, geht es Trump mitnichten um irgendeine progressive Reform des multilateralen Handelsregimes, sondern schlicht um Fortführung des bisherigen Systems unter offener US-amerikanischer Dominanz, was nichts anderes heißt als Neoliberalismus plus politische Unterwerfung der Handelspartner unter die Interessen der USA.
Damit droht das Ende einer Ära, in der die Orientierung auf Exportsteigerung und Leistungsbilanzüberschüsse das alles beherrschende außenwirtschaftliche Axiom war. Dies würde auch dem Bestreben ein Ende setzen, die Weltwirtschaft in eine Arena zu verwandeln, in der sich Konzerne ungehindert und profitabel bewegen können. Das wiederum hat die EU-Kommission offenbar motiviert, noch schnell möglichst viele und möglichst umfassende Freihandelsverträge einer «neuen Generation» mit möglichst vielen Ländern und möglichst langer Dauer aufzulegen. Mit diesen umfassenden Abkommen soll vor allem Folgendes erreicht werden:
Die Festschreibung einer liberalen Wirtschaftsordnung, in der der Marktzugang für ausländische Unternehmen umfassend gewährleistet ist, insbesondre durch Beseitigung von Zollschranken, Aufhebung von Restriktionen im öffentlichen Beschaffungswesen sowie in Bezug auf Dienstleistungen und Agrarmärkte und die weitgehende Kommerzialisierung von Infrastrukturen sowie Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge.
Die Vereinheitlichung von Standards und die Beseitigung «nichttarifärer Handelshemmnisse» im Wege «regulatorischer Kooperation», das heißt durch die vorauseilende und bevorzugte Mitwirkung von transnationalen Konzernen bei der Erarbeitung neuer gesetzlicher Regelungen.
Die Absicherung der Profiterwartungen ausländischer Investoren durch die vertragliche Verankerung von Sonderklagerechten oder die Schaffung eines multilateralen Investitionsgerichtshofs.
Die Absicht, mit derartigen Vereinbarungen eine langfristige und möglichst unumkehrbare Öffnung der Wirtschaften außereuropäischer Länder für eine EU-Exportoffensive zu erreichen, wird auch darin deutlich, dass in der Regel sogenannte «Sperrklinkenklauseln» vereinbart werden – das heißt zwar sind stets weitergehende Zollsenkungen und Privatisierungen möglich, aber einmal verabredete Zollsenkungen oder die vollzogene Privatisierung von Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge dürfen nicht mehr rückgängig gemacht werden.
Was der Zugriff auf Erdöl in der Vergangenheit war, könnte in Zukunft die digitale Bereitstellung von Dienstleistungen und die Kontrolle von Daten sein
Neben regulatorischer Kooperation und Sonderklagerechten, die inzwischen große öffentliche Aufmerksamkeit erregen und massiv in der Kritik stehen, zeichnen sich vor allem hinsichtlich des weltweiten Zugriffs auf Energie und Rohstoffe, im Internethandel (E-Commerce), auf den Dienstleistungsmärkten sowie beim Handel mit sogenannten Umweltgütern bedenkliche Trends in der EU-Handelspolitik ab.
In Bezug auf den Handel mit Energieträgern und Rohstoffen soll offenbar möglichst viel beim Alten bleiben. Insbesondere betrifft dies die Bemühungen, das Rohstoffangebot auf dem Weltmarkt stabil sowie die Preise niedrig zu halten. Für Ersteres soll ein nicht zuletzt in den sogenannten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (auch bekannt als Economic Partnership Agreements – EPAs) verankertes «Verbot» von Exportsteuern und die Aufrechterhaltung der überkommenen internationalen Arbeitsteilung sorgen. Letzteres wird unter anderem mittels sogenannter «Konfliktrohstoffe» bewerkstelligt (Coltan aus dem Osten der Demokratischen Republik Kongo, «Blutdiamanten» aus Simbabwe oder Erdöl, das vom Islamischen Staat auf den Weltmarkt gebracht wird). Die auch von zivilgesellschaftlichen Organisationen lange geforderte und seit Juni 2017 in Kraft gesetzte EU-Verordnung zu Konfliktmineralien entfaltet keineswegs nur die Wirkung, dass Rohstoffe aus bestimmten Regionen nicht mehr aufgekauft und eingesetzt werden. Wäre dem so, würde die Förderung in Konfliktgebieten rasch zum Erliegen kommen. Mit ihrer Klassifizierung als Mineralien, die in Konfliktregionen unter zweifelhaften Bedingungen gefördert werden, werden diese Produkte faktisch illegalisiert und so ihr Preis gesenkt. Denn gekauft werden diese Rohstoffe auch weiterhin – oft vermittelt über viele Zwischenhändler, die wiederum helfen, ihre tatsächliche Herkunft zu verschleiern.
Ein weiteres hoch sensibles Gut, für das die EU unter allen Umständen den Weltmarkt offenzuhalten versucht, sind die als Seltene Erden bezeichneten Mineralien, die oft zwar nur in kleinsten Mengen in Hightechprodukten eingesetzt werden, ohne die diese Erzeugnisse allerdings nicht funktionieren würden. Zu den Seltenen Erden werden 17 Metalle gezählt: Scandium, Yttrium und Lanthan sowie die 14 im Periodensystem auf das Lanthan folgenden Metalle, die sogenannten Lanthanoide. Die Förderung dieser Substanzen ist sehr aufwendig und oft mit erheblichen Umweltschäden verbunden. Seitdem China, mit einem Weltmarktanteil von circa 97 Prozent, im Jahr 2010 den Export stark eingeschränkt hat, sind die Industriestaaten hochgradig alarmiert und versuchen fieberhaft neue Fördergebiete zu erkunden. Die in Bezug auf Umweltbelange und Ressourcenschonung beste Lösung bestände allerdings in einer drastischen Verbesserung der Recyclingquote; bisher wird aber mehr als die Hälfte des Elektroschrotts in Deutschland gar nicht recycelt.
Wenn es um die Zukunft des Handels geht, macht ein neues Zauberwort immer öfter und immer euphorischer die Runde: E-Commerce (digitale Wirtschaft; elektronischer Handel). Der kürzlich veröffentlichte Welthandelsbericht 2018 der WTO trägt etwa den vielsagenden Titel: «Die Zukunft des Welthandels: Wie digitale Technologien die globale Wirtschaft verändern werden» (WTO 2018). Befürchtungen, dass schon bald die GAFAs dieser Welt (Google, Amazon, Facebook, Apple) alles über alle wissen und mithilfe von Big-Data-Plattformen die (Handels-)Welt verändern werden, haben weltweit die Zivilgesellschaft auf den Plan gerufen. Insofern ist die am 24. Mai 2018 in Kraft gesetzte Europäische Datenschutzgrundverordnung – angesichts der ansonsten zuverlässig neoliberal ausgerichteten EU-Kommission – ein erstaunlicher und überaus begrüßenswerter Fortschritt, der allerdings nicht den Blick dafür verstellen darf, dass der Kampf um die Daten, deren Erhebung und unregulierter, grenzüberschreitender Transfer sowie die Durchsetzung von Transferverboten für sensible Daten (Lokalisierungszwang z.B. für gesundheits- oder sozialversicherungsrelevante Informationen) noch lange nicht gewonnen sein dürfte. Die großen Internetkonzerne versuchen schon heute mit allen Mitteln (der regulatorischen Kooperation), eine durchgreifende staatliche Regulierung, wie sie unter anderem durch sogenannte Safeguard-Klauseln in Handelsabkommen erreicht werden könnte, sowie eine Besteuerung von via Internet gehandelten Gütern und Dienstleistungen zu verhindern.
Zwei weitere, für die zukünftige arbeitsteilige Weltwirtschaftsstruktur wichtige Aspekte können hier nur kursorisch erwähnt werden. Zum einen der Umstand, dass ein wachsender über Internet vermittelter Handel von Gütern und Dienstleistungen eine Explosion der Anforderungen an nationale und regionale Logistiknetzwerke ausgelöst hat. Damit verbunden ist nicht selten eine «UBER-isierung» dieses Bereichs (nach der Internetplattform Uber, die vor allem als Vermittler von Taxidiensten bekannt wurde); das heißt die Rekrutierung Abertausender, höchst prekär bezahlter Dienstleister*innen (Fahrer*innen, Bot*innen, Abfertigungspersonal in gigantischen Logistikzentren), die auf Abruf ohne jede soziale Absicherung stets einsatzbereit sind und ohne die die extrem kurzen Lieferzeiten, die als wesentlicher Anreiz für elektronischen Handel gelten, niemals möglich wären. Zum anderen wird sich die Kontrolle von transnationalen Fertigungsketten immer mehr dorthin verlagern, wo die technologischen Kernkomponenten des jeweiligen Produkts (weiter-)entwickelt werden und wo das gesamte digitale Produktions- und Funktionsmanagement stattfindet. Die Kontrolle der Kerntechnologie entscheidet darüber, wer Produzent und wer Zulieferer ist – und damit wer dem Preisdruck ausgesetzt ist, den die Hersteller auf die Zulieferer gemeinhin ausüben. Wenn sich also die Produktion und die Setzung von Produktionsstandards für Elektromotoren in der Automobilindustrie nach Asien verlagert (weil dort vor allem infolge staatlicher Regulierung elektrisch angetriebene PKWs bald das Gros der Verkäufe ausmachen werden) und wenn sich die führenden Softwareentwickler für selbstfahrende PKWs überwiegend in Nordamerika befinden, dann kann es gut sein, dass sich die stolzen PKW-Bauer Deutschlands schon bald in der untergeordneten Rolle von Zulieferern wiederfinden werden.
Allein der Umstand, dass das Handelsreferat des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) bereits im März 2017 in einem Konzeptpapier den Versuch unternommen hat, das Programm der EU zur Unterstützung beim Ausbau der Handelsinfrastruktur mit den Nachhaltigkeitsentwicklungszielen der UNO (Sustainable Development Goals – SDGs) zu harmonisieren, zeigt, dass Umweltbelange in den künftigen Handelsbeziehungen eine wachsende Rolle spielen werden. Die Bemühungen der EU, gemeinsam mit anderen WTO-Mitgliedern ein plurilaterales Umweltgüterabkommen (Environmental Goods Agreement – EGA) als erstes Regelwerk für die Verringerung von Handelsbarrieren speziell für umweltfreundliche Güter abzuschließen, liegen allerdings seit dem Amtsantritt von US-Präsident Trump auf Eis.
In diesem Bereich geht es darum, eine Liste von Gütern zu vereinbaren, für die zukünftig die Zölle weitgehend gesenkt und letztendlich komplett beseitig werden sollen. Bei diesen Waren handelt es sich natürlich nicht – wie vielleicht vermutet werden könnte – um frische Luft, sauberes Wasser, intakte Landschaft, gesunden Wald oder fischreiche Meere, sondern um eine Vielzahl von Erzeugnissen und Dienstleistungen mit durchaus dubiosen Umweltwirkungen, die dem Bundesamt für Statistik der Schweiz zufolge «dem Schutz der Umwelt oder dem Erhalt der natürlichen Ressourcen dienen». Das können Gasheizungssysteme und Dämmstoffe zur Gebäudeisolation genauso sein wie Fahrräder, Holzprodukte, Chemikalien und Mikroorganismen(!), die etwa zwar die Zersetzung von Plastikmüll befördern, aber selbst – als künstlich geschaffene Lebensformen – keineswegs unbedenklich sind. Ein wesentlicher, für den Handel insbesondere vieler Entwicklungsländer wichtiger Aspekt ist dabei der, dass unter dem Rubrum «Umweltgüter» zukünftig auch die Herstellungsverfahren eines Produkts eine Rolle spielen könnten. Im Rahmen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT), das im Rahmen der WTO fortgeführt wird, werden bislang Produkte völlig unabhängig von der Art und Weise ihrer Erzeugung (also auch ohne Ansehen der Umweltverträglichkeit der Produktion oder z.B. des Einsatzes von Kinderarbeit) klassifiziert. Die Einführung von Umwelt- und Sozialstandards in der Produktion von Gütern, um die Bedingungen zu bestimmen, unter denen diese Waren gehandelt werden können, kommt der Einführung von nichttarifären Handelshemmnissen gleich. Diese können –wie bereits in Bezug auf die sanitären und phytosanitären Standards (SPS), die die EU für die Einfuhr zum Beispiel von Frischfleisch setzt – zu wesentlichen Erschwernissen für die Teilnahme von Ländern des globalen Südens am Handel mit der EU führen.
In all diesen – hier nur sehr verkürzt umrissenen – Bereichen ist die EU-Handelspolitik durchaus zwiespältig. Einerseits dient sie dem Schutz EU-einheimischer Industrien, der Sicherung von deren Rohstoffbezugsquellen, der Absicherung von Profit- und Liberalisierungsbestrebungen aufstrebender Akteure in der digitalen Wirtschaft sowie dem Versuch, Umweltstandards für Produkte heraufzusetzen– auch um aufkommende BRICS-Konkurrenten auszuschalten. Andererseits werden damit allerdings nicht nur Profitinteressen und Expansionsbestrebungen des Kapitals bedient, es wird auch den Interessen der EU-Bevölkerung am Erhalt von Arbeitsplätzen, an mehr ökologisch hergestellten Produkten und an der Einhaltung von Sozialstandards weltweit Rechnung getragen. Nicht zuletzt deshalb sollen möglichst viele Freihandelsabkommen zu Bedingungen der EU geschlossen werden.
Ein weltumspannendes Netzwerk von Freihandelsverträgen ist das Ziel, aber die Verhandlungen verlaufen zäh und die Ergebnisse bleiben unter den Erwartungen oder erweisen sich als Pyrrhussiege
Die bereits seit einigen Jahren virulente Diskussion über die destruktiven Langzeitwirkungen von wachsenden Leistungs- und insbesondere Handelsbilanzungleichgewichten hat an Schärfe gewonnen. Grund dafür ist nicht zuletzt die wachsende Polarisierung innerhalb der EU und vor allem innerhalb der Eurozone, in der die sogenannten Südländer (insbesondere Griechenland, Spanien, Portugal, Italien und manche zählen inzwischen Frankreich dazu) zunehmend marginalisiert werden, während der «Exportweltmeister» Deutschland und die Benelux-Staaten ihren Entwicklungsvorsprung vergrößern. Überall in der Welt wächst allerdings der Widerstand gegen bedingungslosen Freihandel. Insgesamt ist es nicht ausgeschlossen, dass die Ära eines von neoliberalen Politiken befeuerten Freihandels zu Ende geht und durch eine Wiederbelebung von eher nationalstaatlicher Wachstums- und Industriepolitik, verbunden mit verstärkter staatlicher Regulierung der Außenwirtschaftsbeziehungen, ersetzt wird. Deshalb versucht die EU in möglichst vielen Bereichen (z.B. bei der Liberalisierung der öffentlichen Beschaffungsregimes) noch schnell Fakten zu schaffen – mit durchwachsenen Resultaten.
Eine wichtige Entscheidung hat sich die EU quasi selbst eingebrockt. Als es im Vorfeld des Abschlusses von CETA (Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen; Comprehensive Economic and Trade Agreement) zwischen der EU und Kanada zum massiven Anwachsen des Widerstandes kam, bat die EU-Kommission den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um eine Beurteilung, ob dieses Ankommen den EU-Mitgliedsländern einzeln zur Billigung vorgelegt werden muss. Der EuGH verwies in seiner Stellungnahme darauf, dass Investitionen immer in die Kompetenz der Mitgliedsländer fallen, sodass immer dann, wenn Freihandelsverträge auch Investitionsschutzklauseln (sogenannte Investor-Staat-Streitbeilegungsvereinbarungen – englisch abgekürzt ISDS) enthalten, diese Abkommen den Parlamenten der EU-Mitgliedsländer zur Ratifizierung vorgelegt werden müssen. Folglich werden derartige ISDS-Klauseln zukünftig wohl aus EU-Freihandelsverträgen verschwinden, um deren Inkraftsetzung qua Ratifizierung durch das Europaparlament nicht zu verzögern. Übrigens wurden auch aus dem neu verhandelten Abkommen zwischen Mexiko, den USA und Kanada (USMCA oder auch NAFTA 2.0) ISDS-Klauseln weitgehend entfernt, weil sie – nach Auffassung von Trump & Co. – US-Firmen in der Regel benachteiligen.
In Asien verhandelt die EU nach dem faktischen Scheitern des Abkommens mit der ASEAN-Gruppe zurzeit nur noch bilaterale Abkommen mit Vietnam, Indonesien und Singapur. Abgeschlossen wurde indes im Juli 2018 das Abkommen mit Japan (JEFTA), das nach Angaben der EU wertmäßig immerhin 30 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts umfasst. Obwohl dieses Freihandelsabkommen schon deshalb weniger problematisch ist, weil die Vertragspartner ein ähnliches Entwicklungsniveau haben, finden sich eine ganze Reihe bedenklicher Abmachungen, die durchaus die Entscheidungsfreiheit von Regierungen der Vertragsstaaten bezüglich der Bereitstellung von Gütern der öffentlichen Daseinsfürsorge unterlaufen können.
Mit Blick auf die AKP-Staaten (die ehemaligen Kolonien Belgiens, Frankreichs, Großbritanniens und Portugals in Afrika, der Karibik und dem Pazifik) versuchte die EU nach der Gründung der WTO (1994) und dem Abschluss des sogenannten Cotonou-Abkommens (2000), die Wirtschaftsbeziehungen auf eine WTO-konforme, das heißt freihandelsbasierte, Grundlage zu stellen. Zwar wurden in einem Verhandlungsmarathon, der sich über 15 Jahre hinzog, schlussendlich – nicht zuletzt infolge massiven, erpresserischen Drucks der EU-Kommission – Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) paraphiert, aber nur die wenigsten sind bisher zur Anwendung gelangt. Das Karibik-EPA (CARICOM) wird seit 2007 und das SADC-EPA (südliches Afrika) seit 2016 – allerdings eingeschränkt – umgesetzt. Seitdem jedoch selbst Bundeskanzlerin Merkel im Juni 2017 im Vorfeld des G-20-Gipfels und unter dem Eindruck massiver zivilgesellschaftlicher Proteste eingeräumt hat, dass die EPAs mit Afrika «so nicht richtig» seien und womöglich neu verhandelt werden müssten, hat auch der Eifer der EU-Kommission, eine Umsetzung der EPAs gegebenenfalls zu erzwingen, deutlich nachgelassen. Offenbar konzentriert sich die EU jetzt auf die seit September 2018 laufende Neuverhandlung des AKP-EU-Vertrages (Post-Cotonou-Abkommen).
In Lateinamerika – mit Bezug auf Mexiko und Mercosur – ist die Lage ähnlich verfahren. Das Abkommen mit den Mercosur-Staaten (Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay) kommt nicht voran. Von besonderer Bedeutung sind der Agrar- und Lebensmittelhandel, denn bereits jetzt kommt der Großteil der EU-Agrar- und Lebensmittelimporte von dort. Dabei sind nicht zuletzt die Quotenforderungen des Mercosur bei (Rind)Fleischexporten in die EU von Bedeutung – nicht nur für die Erzeuger in der EU, sondern auch hinsichtlich der besorgniserregenden Umweltbelastungen, unter denen die Massenproduktion von Fleisch in Lateinamerika stattfindet. Die Verhandlungen über ein Abkommen mit Mexiko, das sehr breit angelegt ist – von Warenhandel über Dienstleistungen bis zu SPS – sind ebenfalls ins Stocken geraten, wahrscheinlich auch unter dem Eindruck der von Donald Trump und der US-Administration forcierten Neuverhandlung des NAFTA-Vertrages. Ob das wesentliche Ziel Mexikos, die Diversifizierung seiner Absatzmärkte, durch einen Freihandelsvertrag mit der EU erreicht werden kann, bleibt vorerst abzuwarten. Das Freihandelsabkommen der EU mit Peru und Kolumbien wird seit 2013 vorläufig angewandt. Ecuador ist diesem Abkommen im November 2016 beigetreten.
Eine Einschätzung der EU-Handelsstrategie nach Weltregionen kann nicht an der Feststellung vorbei, dass sich die globale Durchsetzung von Freihandelsvereinbarungen um jeden Preis – auch mit ausgefeilten Winkelzügen in Verhandlungen und (politisch-diplomatischer) Erpressung – nur bedingt und wohl nur zeitlich begrenzt erreichen lässt. Die Widerstände wachsen erkennbar, allerdings nicht nur im linken Lager, sondern auch bei der einst unverbrüchlich verbündeten US-Administration. Im eskalierenden Handelskonflikt mit den USA versucht die EU nun, das westliche Bündnis und seine Freihandelsorientierung mithilfe eines gemeinsamen Feindes zu retten. Dieser Feind heißt China. Gesellschaft, Wirtschaft, Handel – worauf es aus linker Perspektive wirklich ankommt
«Freihandel ist der Protektionismus der Mächtigen» (Vandana Shiva). In der Tat haben die heutigen Freihandelsbefürworter im Zuge ihres eigenen Aufstiegs zu Industrienationen nie freien Handel praktiziert. Und sie praktizieren ihn bis heute nicht, was ein Blick auf das ausgeklügelte Zollregime der EU nur allzu deutlich zeigt – wo immer auch nur im Ansatz unerwünschte Konkurrenz auftaucht, werden sofort die Marktzugangsrestriktionen verschärft.
Dieses Argument bezüglich der Scheinheiligkeit der Freihandelsapologetik wird von Kritiker*innen bereits seit Langem immer wieder vorgebracht – jedoch ohne viel Erfolg. Ähnlich erfolglos sind die allenthalben anzutreffenden Forderungen nach einem fairen und/oder gerechten (oder noch besser faireren und gerechteren) Welthandel. Denn unter gerecht wird in der internationalen Arena gemeinhin das verstanden, was vertraglich vereinbart (verrechtlicht) wurde. Und fair bezieht sich lediglich darauf, dass die vereinbarten Spielregeln – nach Ermessen einer Schiedsperson oder eines Schiedsgerichts – für alle Beteiligten gleich angewandt werden. Mit derartigen Forderungen nach mehr Gerechtigkeit und mehr Fairness können die Regierenden (nicht nur in der EU) gut leben und sich sogar an die «Spitze der Bewegung» stellen.
Nötig ist eine grundsätzliche Kritik der EU-Handelsdoktrin in der umfassenden Form, wie sie selbst angelegt ist – nämlich als der Versuch, ein neoliberales Wirtschaftsmodell zu verewigen. Eine Kritik dieser Doktrin muss dabei zunächst darauf zielen, Handel an den Platz (zurück) zu setzen, der ihm eigentlich in arbeitsteiligen Wirtschaftsbeziehungen zukommt. Er ist nicht das Vehikel zur Durchsetzung einer Wirtschaftsordnung, sondern ein Mittel zur Steigerung der Effizienz und Suffizienz einer Volkswirtschaft. Seine Wirkungen sind daher nicht (allein) auf die Steigerung der Produktivität gerichtet, sondern auch auf die Verbesserung der Lebensumstände aller.
Deshalb sollte der gegenseitige Vorteil der Handeltreibenden zum Maßstab für den Umfang und die Art der gegenseitigen Handelsbeziehungen werden. Das wiederum muss unter Umständen, wenn es um die Beförderung überlebensnotweniger Zwecke geht – wie etwa den sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft –, auch den bewussten Verzicht auf, ohnehin oft nur durch (koloniale) Gewalt erworbene und durch freie Konkurrenz unter Ungleichen verstärkte strukturelle Vorteile geschehen.
Handelsabkommen müssen zudem leichter revidierbar werden. Die nahezu unabänderliche Festschreibung von geschützten und liberalisierten Wirtschaftsbereichen, wie sie etwa Bestandteil der EPAs ist, verhindert im Kern die Nutzung von Entwicklungspotenzialen, die sich möglicherweise aus zukünftigen technologischen, aber auch weltwirtschaftlichen Veränderungen ergeben. Statt Spielräume für Veränderungen offenzuhalten, wird versucht, den einseitig vorteilhaften Status quo zu verewigen. Ähnliches deutet sich auch beim E-Commerce an. Die globale Nutzung seiner Vorteile verlangt früher oder später nach einer globalen Umverteilung der Produktionsstandorte auf der Basis von Technologietransfer; statt des Versuchs, Milliarden kleinster Paketsendungen mittels ausgefeilter Logistik innerhalb von wenigen Stunden weltweit an Kund*innen auszuliefern. Wenn alle Produkte überall zu einheitlichen Standards verfügbar sein sollen, kann das nur umweltverträglich über die Verlagerung der Produktion in die Nähe der Verbraucher*innen geschehen.
Abschließend bleibt festzustellen: Der sogenannte Freihandel ist eine Schimäre, die es so historisch nie gab. Selbst in der klassischen Begründung der Freihandelstheorie durch David Ricardo ist diese an Funktionsbedingungen geknüpft, die heute völlig irreal sind: ausgeglichene Bilanzen, keine internationale Mobilität des Kapitals sowie freiwillige Spezialisierung auf komparativ vorteilhafte Produkte. Wenn Staaten zum gegenseitigen Vorteil miteinander Handel treiben sollen, dann brauchen sie sowohl Spielräume für eigene industriepolitische Strategien (damit verbunden die bewusste Abschottung von Wirtschaftssektoren) und die Kontrolle über die notwendigen währungspolitischen Ausgleichsmechanismen, insbesondere den Wechselkurs.
Diese Einsichten sind nicht neu, aber offenbar politisch nur schwer wählermobilisierend zu vertreten. Das hängt auch damit zusammen, dass Veränderungen in der gegenwärtigen internationalen Wirtschaftsordnung unausweichlich Konsequenzen für Arbeitsplätze und Industriestrukturen und damit für die Lebensumstände von Menschen haben. Auch deshalb sind pauschale Forderungen nach mehr Gerechtigkeit und Fairness in Politik wie Zivilgesellschaft so en vogue – notwendig wäre indessen mehr Bereitschaft zu solidarischer Berücksichtigung der Lebensinteressen Subalterner in Nord und Süd, denn davon hängt schlicht unser aller Zukunft ab.
Arndt Hopfmann ist handels- und wirtschaftspolitischer Referent der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Er arbeitet im RLS-Büro in Brüssel.
Literatur
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