Es reist sich besser mit leichtem Gepäck (Silbermond) „

Ich möchte einige Gedanken, Anmerkungen zur Degrowth und einer Postwachstumsgesellschaft darlegen. Das geht für mich nur, wenn man es auch mit seiner eigenen Person verknüpft.

Deshalb etwas Biografisches vorweg:

Als Jugendlicher erfolgte meine „politische Grundsozialisation“ in der Gewerkschaftsjugend .Schon damals haben wir in der Bildungsarbeit nicht nur den Gegensatz von Kapital und Arbeit analysiert, sondern auch schon konkrete Modelle einer anderen Produktion entwickelt: Mit mehr Mitbestimmung der „Arbeitnehmer“ , einer Reduzierung der Produktpalette und einem effektiven Einsatz von Energie.

Ende der 70er Jahre im Protest gegen die Atomkraft habe ich viele Wachstumskritiker wie

Schumacher und Illich gelesen und in der Erwachsenenbildung Ideen und Modelle einer „Alltagsökologie“ mit entwickelt. Dann Selbstversorgung und Gründung eines Naturkostladens.

So war ich 20 Jahre Herausgeber eines“ Kalender für den BioGarten“ (PalaVerlag) , habe mich um Direktvermarkung und ökologischen Landbau gekümmert. Und Menschen ermutigt, ein eigenständiges und „ökologisches Leben“ zu führen, Rücksicht zu nehmen auf die Natur und mit ihnen an ihren /meinen Lebensentwürfen gearbeitet . Also ein echter Degrowther, wie ihn Niko Paech auf den letzten Seiten in seinem Buch beschreibt.

Allerdings habe ich schnell die Grenzen erkannt und das der Kapitalismus neue Bedürfnisse schnell stillen kann und Ideen und Personen /Aktivisten schnell integrieren kann. Meiner gewerkschaftlichen Herkunft bedingt habe ich dieses Tun und die Alternativbewegung nicht zu einer Theorie stilisiert und damit akademische oder berufliche Lorbeeren gewonnen.

Nun zurück zum Thema : Kann eine Postwachstumsgesellschaft alle Probleme wie Ressourcenverbrauch , Ende des Klimawandels , Erhalt der Natur lösen und alle Menschen auf der Erde satt machen ?

Wenn die Produktion, die Summe an Waren und Dienstleistungen zurück geht , was bedeutet das ? Unter Corona ist dies konkret zu betrachten . Prognose ist 10 % Rückgang BIP.

Zunächst werden Arbeiter freigesetzt . z.Zt. sind 6 Mill in Kurzarbeit mit weniger Lohn , Beschäftigte im Niedriglohnsektor wie Leiharbeiter , Arbeitsmigranten, Mnijobber und Scheinselbstständige können gleich zu Hause bleibe. Corona ist ein schlimmes Beispiel , was beim Rückgang von Produktion, Arbeit und Konsum geschieht. Es ist schon zynisch , nicht human, wenn jetzt darüber beraten wird , das Kurzarbeitergeld zu streichen und somit eine riesige Reservearmee zu schaffen.

Noch ein paar einfache Wahrheiten: Wenn Wachstum reduziert wird , sinkt das Steueraufkommen. Aus den Steuern wird über die Haushalte der Länder und des Bundes die weitgehend kostenlose Bildung finanziert , werden soziale Leistungen generiert , Infrastrukturmaßnahmen wie Bahn und Straße oder auch Maßnahmen gegen den Klimawandel. Steuern können nur erhoben werden wenn gewirtschaftet wird und Konsum und Dienstleistungen stattfindet (Mehrwertsteuer). Klar- die Steuer wird ungerecht erhoben- deshalb das zähe Ziehen um eine Steuerreform, die Vermögen und Betuchte stärker belastet.

Und wenn Wachstum reduziert werden soll, wer bestimmt, wie viel und benennt die Instrumente ? Das kann nur der Staat sein. Aber ist der bürgerliche Staat neutral oder ist “er ein Ausschuss, der die gemeinschaftlichen Geschäfte der Bourgeosie verwaltet" (Marx) . ??

Dann : Gute Lohnabschlüsse und damit Wohlstand für viele lassen sich in Tarifverhandlungen nur durchsetzen , wenn es diesem Wirtschaftszweig „gut geht“ –also Umsatz und Profit gemacht werden.

Ein gutes Leben für alle ist nur möglich , wenn Einfluss auf die Steuer und Haushalte genommen wird, wenn gesicherte Arbeitsverhältnisse bestehen und ein Lohn oder auch Rente gezahlt wird, mit dem man und frau leben können. Beispiele wie Griechenland oder auch jetzt Corona (im Ansatz) weisen in den Weg in eine starke soziale Spaltung und eine Verelendung.

Eine demokratische Teilhabe, sich kommunal, politisch , in der Umweltbewegung , in seinem Wohnquartier einzubringen, geht nur, wenn Miete, Essen, Kleidung , Auto oder Fahrrad bezahlt werden können und nicht immer die Hast ums Überleben besteht.

An diesen Zusammenhängen setzt linke und gewerkschaftliche Reformpolitik an. Eine langwierige und zähe Sache .

Wachstum bedeutet nicht , das keine Kriterien und Forderungen gestellt werden. An einer Einhegung und Begrenzung gearbeitet werden muss. Ein qualitatives Wachstums ist notwendig . Produktion und Dienstleistungen müssen sich ändern und der vagabundiere Finanzmarkt muss eingefangen werden.

Das geht mit vielen W-Fragen .

Was wird produziert ? Ist es systemrelevant, hat es einen Gebrauchswert, ist es langlebig

Wie wird produziert? Welche Energie, wie eintönig , welcher Arbeitsschutz , wieviel Dreck und Staub

Wer produziert ? Entscheidet der Unternehmer oder die Arbeiter ? Da beginnt die Diskussion um Mitbestimmung bis zur Arbeiterkontrolle der Produktion . Hier sind am schnellsten die Grenzen im Kapitalismus erreicht.

Wo gehen die Gewinne hin ? Werden sie neuinvestiert, wandern sie in die Taschen von Stiftungen und Fonds- oder werden sie an die Belegschaft ausgeschüttet ?

Wo wird produziert? Für den Weltmarkt oder werden regionale Kreisläufe in Gang gesetzt ?

Versucht man sie beantworten, sieht man die Grenzen : Das Kapital hat die Logik , Arbeit, Produkte auch Politik um das Streben nach Profit zu gruppieren. Nach dem einfachen Gesetz Geld-Ware –mehr Geld als vorher (G-W-G`)

Genau diese Logik und diese Machtverhältnisse negiert eine grüne Wachstumspolitik – aber die Kritik daran ist noch mal ein anderes Thema .

Zum Schluss: Ist die Postwachstumsökonomie mit Konsumverzicht und Runterfahren der Wirtschaft ein Weg für die Gesellschaft insgesamt- oder ist es eine Kulturkritik an unserer Lebensweise? Ist Degrowth moralisch und subjektiv ?

Zentrale Begriffe wie „aufgeklärtes Glück" deuten auf einen eher individuellen Weg hin:- weniger Sachen , weniger Geld ausgeben, bewusste sorgsame Mobilität , Selbermachen, keine Flugreise , Minimalismus .

Es reist sich besser mit leichtem Gepäck" - Song von Silbermond

Ausackerholz, den 26.8. 2020