Ein subjektiver Eindruck von der Gross-Demo am 8. Juli

Wir sind mit 30 Leuten am Samstagfrüh nach Hamburg gefahren - einige mit grosser Angst, alle mit mehr oder weniger Skepsis ob des möglichen Erfolgs oder Misserfolgs. Und wir sind sehr zufrieden zurückgekommen.  Das grosse, linke Bündnis hat gegen alle Angst- und Panikmache, gegen alle Konkurrenz- und Spaltungsmanöver standgehalten und überaus erfolgreich mobilisiert! 76.000 (bis über 100.000 - denke ich!) sind nach der Gewaltorgie in dieser abgelaufenen Woche und der sich hysterisch steigernden Hetze eigentlich der Hammer !!!
Zwar haben wir uns alle die Füsse platt "gelatscht" - aber es hat sich gelohnt. Und dann die Zusammensetzung der Demo - waren wir "Älteren" bei den letzten Gross-Aktionen gegen TTIP oder CETA immer in der Mehrheit so waren die Alten diesmal deutlich in der Minderheit, nicht nur (selbstverständlich) im eigenständigen Jugend-Block, sondern auch im Gesamtbild der Demo prägten eher jüngere Teilnehmer*innen das Bild dieser sehr kämpferischen, lautstarken Demo! 
Das lässt hoffen!
Henning Nielsen

Anm.:

Im Folgenden einige Berichte und Essays u.a. aus dem "Neuen Deutschland", zur Information und zum Nachdenken ...

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Von Elsa Koester, 09.07.2017

Der G20-Protest endet nicht im Schanzenviertel

Demonstrationen, Blockaden, Krawalle, Polizeigewalt: Wie viel aber ist von der Kritik am Gipfeltreffen angekommen?

Update 18.25 Uhr: Polizei kontrollierte Busse aus Hamburg
Die Polizei hat am Sonntag mehrere aus Hamburg kommende Busse kontrolliert. Die Beamten zogen vor allem am Rasthof Stolper Heide kurz vor Berlin die Fahrzeuge aus dem Verkehr. Laut dem anwesenden Anwalt Sven Richwin waren mehrere Hundert Menschen von den Kontrollen betroffen, darunter auch »FlixBus«-Reisende. Die Polizei fotografierte von allen Personen die Ausweise. »Die Begründung der Beamten lautete, dass die betroffenen Personen potenzielle Zeugen von Straftaten sein könnten«, sagte Richwin gegenüber »nd«. Zudem durchsuchten Beamten das Gepäck der Reisenden nach gefährlichen Gegenständen. »Hier lautete die Begründung, dass eine Spontandemonstration im Raum Berlin geplant sei«, so der Anwalt. Festnahmen oder Ingewahrsamnahmen habe es jedoch nicht gegeben. Nach einer aktuellen bundesweiten Gesetzesänderung kann auch die Polizei unter bestimmten Umständen Zeugen verpflichtend vorladen und vernehmen. Bisher war dies nur bei Gerichten und Staatsanwaltschaften der Fall.

Der G20-Protest endet nicht im Schanzenviertel

Jan van Aken strahlt über das ganze Gesicht. »Wir sind tatsächlich handgezählte 76.000 Menschen hier«, sagt der Bundestagsabgeordnete auf dem Millerntorplatz, »das ist die größte Demonstration in Hamburg seit 30 Jahren. Besser geht’s nicht.« Dem Aufruf von Linkspartei, Attac und diversen linken Initiativen waren am Samstag viele Hamburger mit ihren Kindern gefolgt, alte und junge Globalisierungskritiker, viele Linksradikale. Demonstriert wurde gegen Aufrüstung und Krieg, für offene Grenzen, gegen Freihandelsabkommen, für kurdische Autonomie in Rojava und für eine gerechtere Weltordnung.

»Egal wie unterschiedlich die Regierungsspitzen der G20 auftreten mögen – sie alle eint eine Geschäftsordnung«, fasste die LINKE-Vorsitzende Katja Kipping den Protest zusammen: »Sie stellen Profite vor Menschen. Für uns gilt: Menschen vor Profite!« Werner Rätz von Attac ist nach der Großdemonstration zufrieden. »Die Protestwoche ist insgesamt ein Erfolg«, sagt er erleichtert - »auch wenn einige Dinge passiert sind, mit denen wir nicht gerechnet hatten.«

Dazu zählt Rätz vor allem das harte Vorgehen der Polizei. Dabei hatte sich dieses bereits vor den Protesten angekündigt: Mit dem Erlass einer Verbotszone für die gesamte Innenstadt. Mit dem Verhalten der Versammlungsbehörde, die von Anfang an klarmachte, dass sie kein Protestcamp in Hamburg dulden werde. Mit der polizeilichen Blockade des Camps in Entenwerder, obwohl dieses gerichtlich erlaubt worden war – und mit dem harten Pfeffersprayeinsatz gegen die Camper, als das Gericht es doch wieder verbot. »Einsatzleiter Hartmut Dudde, schaltet und waltet offenbar völlig losgelöst von jedem Recht. Man kann es nicht anders sagen: Hamburg ist zur Zeit ein Polizeistaat«, sagte die Hamburger LINKE-Abgeordnete Sabine Boeddinghaus.

Diese Analyse festigte sich bei Protestforschern und Beobachtern während der gesamten Protestwoche. »Die Versammlungsfreiheit als Grund- und Menschenrecht galt in Hamburg nicht«, bilanziert das Komitee für Grundrechte. »Wir haben beobachtet, in welchem Maße die Polizei in diesen Tagen die Macht über das Geschehen in der Stadt übernommen hat. Sie hat eskaliert, Bürger- und Menschenrechte ignoriert, sie informierte die Öffentlichkeit falsch und ging mit großer Gewalt gegen die Menschen vor.« Auch der Bewegungsforscher Peter Ullrich zieht dieses Fazit. »Die Polizei hat offensichtlich freie Hand bekommen von der Bundes- und Landespolitik«. Hintergrund dieses Freischeins sei die politische Entscheidung, der Durchsetzung des Gipfels höchste Priorität einzuräumen. Dafür sei die Versammlungsfreiheit »deutlich heruntergestuft« worden. Die Polizeieinsätze erinnerten dabei an die 1960er Jahre: »Sobald etwas nicht zulässig war, etwa Vermummung, wurde draufgehauen.«

Ullrich bezieht sich dabei auf die linksradikale »Welcome to hell«-Demonstration am Donnerstag. Die Polizei hatte den gesamten Zug aufgehalten, mit der Begründung, es hielten sich 1000 Vermummte darin auf. »Der Großteil der Leute hatte ihre Vermummung längst abgenommen«, berichtete die LINKE-Bundestagsabgeordnete Sabine Leidig. Die Polizei griff die Demonstranten dennoch mit Pfefferspray und Wasserwerfern an. Selbst Reporter von NDR, Deutschlandfunk und Spiegel berichteten übereinstimmend, dass es die Polizei war, die die Situation eskalieren ließ. Elke Steven vom Komitee für Grundrechte zeigte sich empört. »Das Vorgehen der Beamten hatte mit einem rechtsstaatlichen Vorgehen nicht mehr zu tun.« In mehreren Situationen habe die Polizei gezielt Panik ausgelöst. Das sei hochgefährlich gewesen.

Die Polizei änderte ihr Vorgehen nicht. Als am Freitag rund 10.000 Aktivisten Sitzblockaden gegen den Gipfel errichteten, ging sie mit Wasserwerfern, Schlagstöcken und Pfefferspray gegen die Sitzenden vor. Mehrere Journalisten, darunter zwei »nd«-Reporter, wurden ebenfalls geschlagen. »Journalisten, Anwälte, Sanitäter - alle Gruppen, die zur Durchsetzung von Bürgerrechten notwendig sind, wurden von der Polizei angegriffen«, berichtete Steven.

Werner Rätz von Attac zog unter die Blockaden dennoch ein positives Fazit: »Hochrangige Politiker wie Wolfgang Schäuble oder Melania Trump mussten ihre Termine absagen. Die Blockaden waren erfolgreich.« Die politische Kritik am G20-Gipfel spielte in der Öffentlichkeit zu diesem Zeitpunkt jedoch kaum eine Rolle. Das sei bei Großprotesten häufig so, sagt Ullrich - »ungewöhnlich war diesmal jedoch, dass es es dabei viele polizeikritische Berichte gab. Die Polizei hat es einfach übertrieben.« Doch diese Perspektive sei mit der Krawallnacht gekippt.

Die Unruhen im Schanzenviertel löste auch unter Linken Ärger aus. »Diese Nacht konnte niemand gebrauchen«, sagt Rätz von Attac, »die Randale war total sinnleer. Und jetzt haben wir das Problem, dass die Krawalle und unsere erfolgreichen Blockaden medial als 'die Proteste' zusammengefasst werden.« Protestforscher Ullrich wird richtig sauer: »Das Ritual der Krawalle ist nicht politisch, das waren Testosteron geladene Männer, die wild durch die Gegend ballerten, ohne Sinn und Zweck, das hat auch den Gipfel nicht behindert.« Die Randalierer hätten den Protestierenden einen Bärendienst erwiesen.

Warum strahlte Jan van Aken dann so? Weil die Geschichte der Gipfelproteste nicht im Schanzenviertel endete. »Das, was wir jetzt erleben, ist der große linke Zusammenschluss, wir sind fast 100.000 Leute!«, freute sich auch der Philosoph Thomas Seibert hinter dem Fronttransparent auf der Großdemonstration. »Das brutale Vorgehen der Polizei hat zu einer großen Solidarisierung geführt.« Auch Rätz sieht das so. Die Linke habe vor den Protesten einen Eindruck der Spaltung gemacht – es gab kein gemeinsames Bündnis, jedes Spektrum organisierte seine eigene Demonstration. Unter den Angriffen der Polizei und von Innensenator Andy Grote (SPD) habe man jedoch wieder zusammengefunden. »Von der Protestwelle über die Linksradikalen bis zur LINKEN: Das Vertrauen unter uns ist wieder stark gewachsen.« Und auch vonseiten der Hamburger Zivilgesellschaft habe er viel Solidarität erfahren, politische Diskussionen, Angebote von Unterkünften, Beteiligung an der Demonstration.

Wie viel aber ist von der Kritik an den G20 angekommen? Am Mittwoch erhielt van Aken in den Tagesthemen einige Minuten Zeit, seine Radikalkritik an den G20 darzulegen: Wenn über Afrika gesprochen würde und nur einer von 48 afrikanischen Staaten mit am Tisch sitze, sei das ein illegitimes Treffen. Die ARD-Kommentatorin musste anschließend darlegen, warum sie dafür ist, dass die G20 sich überhaupt treffen. Passiert nicht aller Tage. Peter Ullrich kann zum jetzigen Zeitpunkt jedoch schwer einschätzen, was hängen bleibt. Sein erster Eindruck: »Wenn die Kritik auch oft reduziert war auf Trump und Putin«, sagt er: »das Grundanliegen der Proteste wurde vielfach geteilt.«

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+++ STELLUNGNAHME ZU DEN EREIGNISSEN VOM WOCHENENDE +++ (12.07.17)

Wir, einige Geschäfts- und Gewerbetreibende des Hamburger Schanzenviertels, sehen uns genötigt, in Anbetracht der Berichterstattung und des öffentlichen Diskurses, unsere Sicht der Ereignisse zu den Ausschreitungen im Zuge des G20-Gipfels zu schildern.
In der Nacht vom 7. auf den 8. Juli 2017 tobte eine Menge für Stunden auf der Straße, plünderte einige Läden, bei vielen anderen gingen die Scheiben zu Bruch, es wurden brennende Barrikaden errichtet und mit der Polizei gerungen.

Uns fällt es in Anbetracht der Wahllosigkeit der Zerstörung schwer, darin die Artikulation einer politischen Überzeugung zu erkennen, noch viel weniger die Idee einer neuen, besseren Welt.
Wir beobachteten das Geschehen leicht verängstigt und skeptisch vor Ort und aus unseren Fenstern in den Straßen unseres Viertels.
Aber die Komplexität der Dynamik, die sich in dieser Nacht hier Bahn gebrochen hat, sehen wir weder in den Medien noch bei der Polizei oder im öffentlichen Diskurs angemessen reflektiert.
Ja, wir haben direkt gesehen, wie Scheiben zerbarsten, Parkautomaten herausgerissen, Bankautomaten zerschlagen, Straßenschilder abgebrochen und das Pflaster aufgerissen wurde.
Wir haben aber auch gesehen, wie viele Tage in Folge völlig unverhältnismäßig bei jeder Kleinigkeit der Wasserwerfer zum Einsatz kam. Wie Menschen von uniformierten und behelmten Beamten ohne Grund geschubst oder auch vom Fahrrad geschlagen wurden.
Tagelang.
Dies darf bei der Berücksichtigung der Ereignisse nicht unter den Teppich gekehrt werden.

Zum Höhepunkt dieser Auseinandersetzung soll in der Nacht von Freitag und Samstag nun ein „Schwarzer Block“ in unserem Stadtteil gewütet haben.
Dies können wir aus eigener Beobachtung nicht bestätigen, die außerhalb der direkten Konfrontation mit der Polizei nun von der Presse beklagten Schäden sind nur zu einem kleinen Teil auf diese Menschen zurückzuführen.
Der weit größere Teil waren erlebnishungrige Jugendliche sowie Voyeure und Partyvolk, denen wir eher auf dem Schlagermove, beim Fußballspiel oder Bushido-Konzert über den Weg laufen würden als auf einer linksradikalen Demo.
Es waren Betrunkene junge Männer, die wir auf dem Baugerüst sahen, die mit Flaschen warfen – hierbei von einem geplanten „Hinterhalt“ und Bedrohung für Leib und Leben der Beamten zu sprechen, ist für uns nicht nachvollziehbar.
Überwiegend diese Leute waren es auch, die – nachdem die Scheiben eingeschlagen waren – in die Geschäfte einstiegen und beladen mit Diebesgut das Weite suchten.
Die besoffen in einem Akt sportlicher Selbstüberschätzung mit nacktem Oberkörper aus 50 Metern Entfernung Flaschen auf Wasserwerfer warfen, die zwischen anderen Menschen herniedergingen, während Herumstehende mit Bier in der Hand sie anfeuerten und Handyvideos machten.
Es war eher die Mischung aus Wut auf die Polizei, Enthemmung durch Alkohol, der Frust über die eigene Existenz und die Gier nach Spektakel – durch alle anwesenden Personengruppen hindurch –, die sich hier Bahn brach.
Das war kein linker Protest gegen den G20-Gipfel. Hier von linken AktivistInnen zu sprechen wäre verkürzt und falsch.

Wir haben neben all der Gewalt und Zerstörung gestern viele Situationen gesehen, in denen offenbar gut organisierte, schwarz gekleidete Vermummte teilweise gemeinsam mit Anwohnern eingeschritten sind, um andere davon abzuhalten, kleine, inhabergeführte Läden anzugehen. Die anderen Vermummten die Eisenstangen aus der Hand nahmen, die Nachbarn halfen, ihre Fahrräder in Sicherheit zu bringen und sinnlosen Flaschenbewurf entschieden unterbanden. Die auch ein Feuer löschten, als im verwüsteten und geplünderten „Flying Tiger Copenhagen“ Jugendliche versuchten, mit Leuchtspurmunition einen Brand zu legen, obwohl das Haus bewohnt ist.
Es liegt nicht an uns zu bestimmen, was hier falsch gelaufen ist, welche Aktion zu welcher Reaktion geführt hat.
Was wir aber sagen können: Wir leben und arbeiten hier, bekommen seit vielen Wochen mit, wie das „Schaufenster moderner Polizeiarbeit“ ein Klima der Ohnmacht, Angst und daraus resultierender Wut erzeugt.
Dass diese nachvollziehbare Wut sich am Wochenende nun wahllos, blind und stumpf auf diese Art und Weise artikulierte, bedauern wir sehr. Es lässt uns auch heute noch vollkommen erschüttert zurück.
Dennoch sehen wir den Ursprung dieser Wut in der verfehlten Politik des Rot-Grünen Senats, der sich nach Außen im Blitzlichtgewitter der internationalen Presse sonnen möchte, nach Innen aber vollkommen weggetaucht ist und einer hochmilitarisierten Polizei das komplette Management dieses Großereignisses auf allen Ebenen überlassen hat.
Dieser Senat hat der Polizei eine „Carte Blanche“ ausgestellt – aber dass die im Rahmen eines solchen Gipfels mitten in einer Millionenstadt entstehenden Probleme, Fragen und sozialen Implikationen nicht nur mit polizeitaktischen und repressiven Mitteln beantwortet werden können, scheint im besoffenen Taumel der quasi monarchischen Inszenierung von Macht und Glamour vollkommen unter den Tisch gefallen zu sein.
Dass einem dies um die Ohren fliegen muss, wäre mit einem Mindestmaß an politischem Weitblick absehbar gewesen.
Wenn Olaf Scholz jetzt von einer inakzeptablen „Verrohung“, der wir „uns alle entgegenstellen müssen“, spricht, können wir dem nur beizupflichten.
Dass die Verrohung aber auch die Konsequenz einer Gesellschaft ist, in der jeglicher abweichende politische Ausdruck pauschal kriminalisiert und mit Sondergesetzen und militarisierten Einheiten polizeilich bekämpft wird, darf dabei nicht unberücksichtigt bleiben.

Aber bei all der Erschütterung über die Ereignisse vom Wochenende muss auch gesagt werden:
Es sind zwar apokalyptische, dunkle, rußgeschwärzte Bilder aus unserem Viertel, die um die Welt gingen.
Von der Realität eines Bürgerkriegs waren wir aber weit entfernt.
Anstatt weiter an der Hysterieschraube zu drehen sollte jetzt Besonnenheit und Reflexion Einzug in die Diskussion halten.
Die Straße steht immer noch, ab Montag öffneten die meisten Geschäfte ganz regulär, der Schaden an Personen hält sich in Grenzen.
Wir hatten als Anwohner mehr Angst vor den mit Maschinengewehren auf unsere Nachbarn zielenden bewaffneten Spezialeinheiten als vor den alkoholisierten Halbstarken, die sich gestern hier ausgetobt haben.
Die sind dumm, lästig und schlagen hier Scheiben ein, erschießen dich aber im Zweifelsfall nicht.

Der für die Meisten von uns Gewerbetreibende weit größere Schaden entsteht durch die Landflucht unserer Kunden, die keine Lust auf die vielen Eingriffe und Einschränkungen durch den Gipfel hatten – durch die Lieferanten, die uns seit vergangenem Dienstag nicht mehr beliefern konnten, durch das Ausbleiben unserer Gäste.
An den damit einhergehenden Umsatzeinbußen werden wir noch sehr lange zu knapsen haben.

Wir leben seit vielen Jahren in friedlicher, oft auch freundschaftlich-solidarischer Nachbarschaft mit allen Formen des Protestes, die hier im Viertel beheimatet sind, wozu für uns selbstverständlich und nicht-verhandelbar auch die Rote Flora gehört.
Daran wird auch dieses Wochenende rein gar nichts ändern.

In dem Wissen, dass dieses überflüssige Spektakel nun vorbei ist, hoffen wir, dass die Polizei ein maßvolles Verhältnis zur Demokratie und den in ihr lebenden Menschen findet, dass wir alle nach Wochen und Monaten der Hysterie und der Einschränkungen zur Ruhe kommen und unseren Alltag mit all den großen und kleinen Widersprüchen wieder gemeinsam angehen können.

Einige Geschäftstreibende aus dem Schanzenviertel

BISTRO CARMAGNOLE
CANTINA POPULAR
DIE DRUCKEREI - SPIELZEUGLADEN SCHANZENVIERTEL
ZARDOZ SCHALLPLATTEN
EIS SCHMIDT
JIM BURRITO'S
TIP TOP KIOSK
JEWELBERRY
SPIELPLATZ BASCHU e.V.
MONO CONCEPT STORE

BLUME 1000 & EINE ART
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G20: »Draufschlagen funktioniert einfach nicht«

Debatte über Strategie der Hamburger Polizei / Kritik auch von Gewerkschafter / Zweifel an Behauptungen von Einsatzleiter Dudde

Berlin. Nach dem G20-Gipfel bleibt das Vorgehen der Polizei ein zentraler Punkt in der Debatte. Und die ist nicht einfach zu führen, auch deshalb, weil die von Einsatzleiter Hartmut Dudde geführten Beamten zuerst wegen ihrer zu harten Linie in der Kritik standen, nun aber aus der Politik der Vorwurf ertönt, sie habe zu zögerlich reagiert. Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz und Innensenator Andy Grote, beide SPD, wiesen Forderungen nach Rücktritten zurück.

Die kamen aus beiden Seiten des politischen Spektrums. »Das war die größte politische Fehleinschätzung eines Hamburger Bürgermeisters aller Zeiten«, sagte der Hamburger CDU-Fraktionschef André Trepoll. Die Linkspartei in Hamburg forderte zudem einen Untersuchungsausschuss.

»Demonstranten wie Polizisten wurden zum Teil schwer verletzt, die Auswirkungen auch auf unbeteiligte Bürger sind enorm«, hieß es nach den vor allem nächtlichen Randalen. Der Senat habe Zusicherungen nicht eingehalten, die Bürger zu schützen. Deshalb sei ein Untersuchungsausschuss nötig. In diesem müsse »der ganze Komplex unter die Lupe genommen werden«, so die Linksfraktionsspitze - »von der Entscheidung, den Gipfel mitten in Hamburg abzuhalten, über das Einsatzkonzept der Polizei, die Einschränkungen der Grundrechte und die Beeinträchtigungen für die Bürger bis hin zu den unfassbaren Gewalttaten«.

Beim größten Polizeieinsatz in Hamburgs Nachkriegsgeschichte sei »alles gut vorbereitet« gewesen, wehrte sich dagegen Scholz. »Die Polizei hat alles getan, was man tun kann.« Von »heldenhafter« Arbeit der Beamten war die Rede. Und Scholz erklärte auch, dass er es nicht für angebracht hält, dass überhaupt Kritik an der Polizei geäußert wird: »Ich will ausdrücklich sagen, dass ich nicht verstehen kann, wenn jetzt oder in den nächsten Tagen die wirklich heldenhafte Tätigkeit der Polizei kritisiert wird.«

Kritik vom grünen Polizeigewerkschafter

Doch die Kritik kommt sogar aus der Polizei selbst. Die Polizeigewerkschaft PolizeiGrün kritisierte die Strategie von Einsatzleiters Dudde. Die Polizei habe es »in Hamburg zwar mit Abstrichen geschafft, den Gipfel zu schützen«, sagte der Vorsitzende Armin Bohnert dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. »Sie hat aber auf keinen Fall ihr Ziel erreicht, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu schützen.«

Bohnert verwies darauf, dass Randalierer »unbehelligt durch Wohnviertel ziehen« konnten und im Schanzenviertel über Stunden die Barrikaden brannten. Die für solche Situationen bereitstehenden Wasserwerfer »hätten auch ohne Einsatzeinheiten erst einmal vorrücken und die Barrikaden löschen können«. Stattdessen seien Polizeieinheiten »zum Teil sehr hart mit Wasserwerfern und Pfefferspray gegen friedlichen Protest vorgegangen«. Es blieben noch viele Fragen offen, sagte der Gewerkschafter.

Innensenator Grote hatte am Sonntag behauptet, niemals lasse die Hamburger Polizei »die Bevölkerung dieser Stadt im Stich, niemals«. Die Beamten hätten am Freitagabend im Schanzenviertel nicht gleich vorrücken können, weil sie befürchtet habe, in einen Hinterhalt zu geraten. Es hätten Informationen vorgelegen, wonach Autonome Gehwegplatten und Molotowcocktails von Hausdächern auf Beamte werfen wollten. Die Polizei präsentierte dazu auch Bilder einer Wärmebildaufnahme, auf der zu sehen ist, wie ein Mann vom Hausdach einen Brandsatz auf einen Wasserwerfer schleudert, der aber nicht zündet. Für Anti-Terror-Einsätze geschulte Spezialeinheiten stürmten später dann auf das Dach und nahmen 13 Personen fest.

Zweifel an den Versionen von Dudde und Grote

Medien zweifeln aber an dieser Version. »Das SEK rannte erst gegen 23.40 Uhr zum Eckhaus. Der ›Tagesspiegel‹ sah, wie die Elitepolizisten mit Maschinenpistolen im Anschlag heranstürmten. Zu dem Zeitpunkt tobten sich Autonome und Krawalltouristen schon fast vier Stunden im Schulterblatt aus. Waren die Dachbesetzer auch schon so lange aktiv?«, heißt es da unter anderem. Auch hätten »die reichlich vorhandenen Einsatzkräfte« andere Möglichkeiten gehabt, in dem Viertel vorzurücken.

Zudem war lange vor dem Gipfel immer wieder gewarnt worden, es würden auch zahlreiche Gewaltbereite anreisen. Daher sei verwunderlich, warum es erst Stunden dauerte, bis Sondereinsatzkräfte in der Nacht vor Ort waren. Der »Tagesspiegel« schreibt, Duddes Erklärung ziele darauf ab, »Verständnis zu wecken für eine Polizeiführung«, die Argumentation aber sei nicht sehr plausibel.

»Hat die Polizei mit unnötiger Härte die Eskalation erst provoziert?«, fragt die Deutsche Presse-Agentur in einer Übersicht zum Vorgehen der Beamten. Dabei geht es um den Vorwurf von Aktivisten, Gipfelkritikern sowie von Politikern der Linkspartei und der Grünen, dass am Donnerstag die bis dahin friedliche Demonstration »Welcome to Hell« grundlos angegriffen wurde. Die Polizei habe dort überreagiert und dazu beigetragen, dass die Stimmung gekippt sei.

Auch das weist Dudde zurück. Er stand schon mehrfach wegen seiner bekannten überharten Linie in der Kritik. Die Nachrichtenagentur zitiert nun aus Sicherheitskreisen, in denen es heißt, mit ihm an der Spitze sei von vorneherein klar gewesen, welcher Einsatzstil zu erwarten gewesen sei. Die Sicherheitsbehörden weisen Vorwürfe der Unverhältnismäßigkeit zurück und erklärt, sie habe keine andere Wahl gehabt - wegen vieler Vermummter und drohender Gefahr.

Einsatz gegen Demonstranten, die sich an Vereinbarung hielten?

Doch auch hierzu gibt es eine andere Version. Die Polizei hatte die bis dahin friedliche Demonstration kurz nach dem Start mit einem Riesenaufgebot gestoppt und kurz danach mit Wasserwerfern, Pfefferspray und Knüppeleinsatz gesprengt. Die Begründung lautete: Es seien Vermummte an der Spitze des Aufzugs gesehen worden, diese sollten vom Rest der Demo getrennt werden.

Wie aber unter anderem ein Reporter bei »Zeit online« berichtet, der direkt Ort war, handelte es sich bei den Vermummten »um mehrere Hundert, größtenteils junge Leute, die überwiegend regelrecht uniformiert waren. Praktisch alle trugen schwarze Nylonregenjacken mit Kapuzen, die sie aufgesetzt hatten, und dazu Sonnenbrillen.«

 

Aber: Laut dem Kollegen hatte »der Versammlungsleiter der Autonomendemo nach eigener Darstellung mit dem Einsatzleiter der Polizei eine Übereinkunft erzielt«, laut der würden »Kapuzen und Sonnenbrillen« geduldet, »Schals und Tücher seien aber von der unteren Gesichtshälfte zu entfernen«. Wenn die Darstellung richtig ist, so der Reporter von »Zeit online«, habe »sich der Teil des Polizeieinsatzes, den ich selbst verfolgen konnte, praktisch ausschließlich gegen Versammlungsteilnehmer gerichtet, die sich an die Auflagen der Polizei gehalten haben«.

GdP und DPolG: Sah dramatischer aus als es war

Auffällig ist auch, dass nun, da sich der Rauch der brennenden Barrikaden verzogen hat, Polizeigewerkschafter zu Wort melden und erklären, die Krawalle, die eben noch von der Politik als besonders schlimm bezeichnet wurden, seien gar nicht so gravierend gewesen. Der für seine politisch rechts stehenden Äußerungen bekannte Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft DPolG, Rainer Wendt, wird mit den Worten zitiert: »Die Polizei hat die Lage im Griff. Wir sind von bürgerkriegsähnlichen Zuständen weit entfernt.« In einer großen Stadt wie Hamburg könne die Polizei nicht jede Straße absichern. Dass Autos oder Mülltonnen angezündet würden oder Scheiben zu Bruch gingen, lasse sich da nicht immer verhindern. »Die Bilder sehen dann zum Teil dramatischer aus als es ist.«

Ähnlich äußerte sich der Vizechef der Gewerkschaft der Polizei GdP, Jörg Radek. Es sei »nichts aus dem Ruder gelaufen«. Die Ausschreitungen reihten sich ein in vergangene Randale-Aktionen der linken Szene.

Derweil hat die Polizei auch die Festnahmen bilanziert, die Deutsche Presse-Agentur spricht von einer »vergleichsweise geringen Zahl«: Es habe 186 Fest- und 225 Ingewahrsamnahmen gegeben, 82 Festgenommene wurden dem Haftrichter vorgeführt, dort wurden 37 Haftbefehle erlassen. Unter den Festgenommenen waren auch Franzosen, Italiener, Russen und Türken, wie es hieß.

Protestforscher Teune: Polizeistrategie »kolossal gescheitert«

Der Soziologe und Protestforscher Simon Teune kritisierte die Strategie der Polizei in der »Süddeutschen Zeitung« sehr deutlich. »Die Polizei hat von Anfang an Signale ausgesendet, dass Proteste in Hamburg keinen Raum haben. Sie hat die Übernachtungscamps nicht zugelassen. Sie hat eine Verbotszone eingerichtet, in der Protest nicht möglich sein sollte und am Donnerstag dann als Höhepunkt zerschlägt sie eine genehmigte Demonstration - aus nichtigen Gründen und in einer Form, die wahllos Menschen verletzt und gefährdet hat. Diese Vorgeschichte hat dazu geführt, dass die Leute, die die Polizei als Gegner sehen und ein Zeichen des Widerstands setzen wollen, angespitzt wurden.«

Dies sei keine Rechtfertigung für schwere Krawalle, so Teune weiter. Aber die Strategie der Hamburger Polizeiführung sei »kolossal gescheitert«. Seit Jahrzehnten verfolge man in der Hansestadt »die Taktik, draufzuhauen. Jetzt wurde beim G-20-Protest die Schraube noch einmal weitergedreht« - ohne dass dies zu einer Beruhigung beigetragen habe. »Das war Eskalation mit Ansage. Jetzt sitzt der Senat buchstäblich vor einem Scherbenhaufen«, so Teune. »Das präventive Draufschlagen funktioniert einfach nicht.« Er verwies stattdessen auf die Erfolge von deeskalierenden Konzepten. tos/Agenturen

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»Zum Affen für die Bullen«

Es scheint, als seien fast alle zufrieden, dass sie über Gewalt streiten dürfen. Sagt ein Kollege. Die Linke kann sich vor der Debatte nicht drücken

Von Tom Strohschneider  -  nd,

Die SPD spricht von »Protestterroristen«, ein CDU-Oberer meint, der »linksextreme Terror« sei »so schlimm« wie der von Neonazis oder Islamisten. Das ist der Grundton einer öffentlichen - nun ja: »Debatte« nach der Randale von Hamburg. Wie darin Entdifferenzierung, moralischer Appell, Distanzierungsgebote und Selbstbildproduktion miteinander verwoben sind, dazu gibt es hier bereits einige Anmerkungen.

Schwach ist der Gegenpart zu den rhetorischen Radikalisierungen, die nun die Linke insgesamt treffen - hier und da wird angemerkt, dass kaum über inhaltliche Kritiken am globalen Krisenkapitalismus gesprochen, dass die Grundrechtseinschränkungen nicht mehr thematisiert werden. Der Kollege Georg Diez vom »Spiegel« hat das Verhältnis zwischen diesen beiden Momenten in einen Satz gebracht: »Es scheint, als seien fast alle zufrieden, dass sie über Gewalt streiten dürfen, dann müssen sie nicht über Gerechtigkeit reden.«

Mag sein, aber für die Linke ist es jetzt keine Alternative, bloß noch ein bisschen lauter über Gerechtigkeit und G20 zu sprechen. Sondern sie muss sich nun »über Gewalt streiten« wollen. Rehzi Malzahn hat in ihrem Blog einen Aufschlag gemacht, der mit einer schonungslosen Bilanz endet: Die Ereignisse der vergangenen Tage seien »nur der Ausdruck des desolaten Zustands der linksradikalen Opposition«. Man wird aber darüber hinausblicken müssen, denn sofern sich ganz unterschiedliche Strömungen der Linken in Bündnissen zusammentun, um gegen G20 zu protestieren, ist Hamburg am Ende nicht bloß eine Sache der radikaleren Zusammenhänge. Sondern von allen.

Es geht um ein paar grundsätzliche Fragen, um den Sinn des Gipfelhoppings, darum, wie es passieren kann, dass der gesamte bunte Block der Gipfelkritiker einen politischen Vorteil binnen weniger Stunden verspielen bzw. sich von ein paar Hundert Leuten im wahrsten Sinne dieses Wortes kaputtmachen lassen kann: Noch lange nach dem Tränengasregen gegen die Spitze der »Welcome to Hell«-Demonstration am Donnerstag war der medial-öffentliche Ton zumeist kritisch gegenüber dem Polizeivorgehen. Die anhaltende Diskussion über die Campverbote hatte weithin für Sympathien gesorgt, eine bürgerrechtliche Ebene in der Gipfelberichterstattung stark gemacht, die anschlussfähig war auch über den unmittelbaren Kreis der G20-Kritiker hinaus.

Das änderte sich im Lichte von brennenden Autos und kaputtgeschlagenen Läden. »Die Frage, die hier zur Debatte steht, ist nicht, ist Militanz gerechtfertigt und gut, sondern: warum zum Henker machen wir uns zum Affen für die Bullen?«, fragt Rehzi Malzahn. »Es ist eindeutig, dass sie diese Bilder wollten, und wir liefern sie ihnen! Sie verfolgen, im Gegensatz zu uns, und das ist meine Kritik, ein politisches Ziel und haben dafür eine Strategie.« Zu einer solchen Strategie und zu intelligentem Handeln gehöre »dann, die gerade passende Aktionsform auszusuchen, und die kann auch mal militant sein und für Unordnung sorgen. Sie kann aber auch heißen, die Füße still zu halten und den richtigen Moment abzupassen«. Nicht zuletzt: »Eine Aktionsform ist keine Identität, sondern ein Mittel, um ein Ziel zu erreichen. Sie wird zur Identität, wenn man kein Ziel hat.«

Das gilt auch für die, die nun nach den Hamburger Krawallen schreiben: »Zielgerichtete Militanz ist für uns eine Option und ein Mittel, um über eine rein symbolische Protestform hinauszukommen und direkt und wirksam in Ereignisse, Prozesse und Entwicklungen verändernd einzugreifen.« Nur was für ein Eingriff soll das sein, der da nun die Bilder macht, die andere benutzen können? Was hat sich da verändert? In welche Richtung. In wessen Interesse? (...)

Die Sache lässt sich jetzt nicht mit dem Hinweis aus der Welt schaffen, es handele sich bei denen, die den Loop am Laufen halten, a) gar nicht um Linke, weil Autoanzünden nicht links ist, oder b) um Linke, die der linken Sache schaden. Es bringt auch nicht sehr viel, sich die vergangenen Tage einfach schönzureden, etwa mit der Behauptung, »dass alle Versuche, diesen legitimen Protest mit Gewalt zu kapern, gescheitert sind«. Wie bitte?
(...)
Aber nun hat es eben diese Gewalt gegeben. Und nun? »Die Gewalttäter, die Teile der Stadt in Angst versetzten, Mülltonnen abfackelten, Geldautomaten aufbrachen und Polizisten mit Steinen bewarfen, sind nicht links. Manche von ihnen nennen sich vielleicht so, aber sie pervertieren eine politische Verortung, die sich traditionell an der Seite der Schwachen sieht«, kommentiert Ulrich Schulte in der »Tageszeitung« die vergangenen Tage. »Es ist nicht links, Kleinwagen von Familien anzuzünden. Es ist nicht links, einen Drogeriemarkt zu plündern, der für Flüchtlinge sammelte. Es ist auch nicht links, eine Kitaleitung so zu verängstigen, dass sie die Eltern aufforderte ihre Kinder abzuholen – weil für ihre Sicherheit nicht mehr garantiert werden könne.«

Schulte hat das vor allem gegen die Gleichsetzer und Terrorismus-Rufer vorgebracht, die jetzt alle G20-Kritik zu einer kriminellen Angelegenheit machen wollen. Aber man wird die Sache nicht so einfach los, indem man jetzt von der Seitenauslinie Labels zuweist - hier die »richtigen Linken«, dort die, die sich nur so nennen. Es dürfte außerhalb der linken Szene zudem nicht viel damit erreicht werden, nun auf (die so wichtigen) Unterschiede zwischen zivilem Ungehorsam, fröhlicher Radikalität und aktivistischer Inszenierung und popkultureller Randale zu verweisen. Es gibt diese Trennung – aber in der gesellschaftlichen Alltagserfahrung der Vielen gibt es sie nicht, weil die Bilder verschwimmen, weil diese Unterscheidungen dort auch nicht gedanklich vollzogen werden.
Das kann, das muss sich ändern. Aber wie? Jedenfalls nicht so. Die von linksaußen ertönenden Anrufungen einer »Solidarität«, die man nun den »Spaltungsversuchen« von Medien, Polizei, Politik entgegenstellen werde, die kann sich ja einmal selbst befragen: Wie solidarisch sind eigentlich die, die es für »militant« statt für bescheuert halten, als Kaputtmacher durch Straßen zu ziehen?

Vielleicht muss jede Generation von Linken die selben Erfahrungen immer erst einmal selbst machen, also auch die gleichen Fehler wiederholen. Aber schon vor einiger Zeit wurde das Lesen erfunden, und so gibt es durchaus Möglichkeiten, sich einmal vorzulegen, was schon diskutiert und beforscht worden ist - ob in der Heinz-Schenk-Debatte oder nach den Gipfelprotesten von Heiligendamm vor zehn Jahren. Oder noch früher, ob nun in der Antifa-Szene oder anderswo.

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