Appell an die Mitglieder der Flensburger Ratsversammlung
Mitten in der Stadt und nur wenige Schritte vom Bahnhof entfernt liegt dieser kleine, aber sehr vitale und ökologisch wertvolle Wald. Er soll weichen, soll Platz machen für den Bau
eines Hotels und eines Parkhauses. Dieses vom Rat der Stadt Flensburg genehmigte Vorhaben widerspricht in elementarer Weise den Erfordernissen einer zukunftsorientierten,
Natur und Klima schützenden Stadtpolitik. Waldschutz ist Klimaschutz!
Deshalb unser Appell:
Heben Sie den Beschluss zur Aufstellung des Bebauungsplans 303 „Hauptpost“ auf!
Beenden Sie jegliche Planungen zur Bebauung des Grundstücks - außerhalb der bereits bebauten Fläche des Postgebäudes.
Sorgen Sie dafür, dass der Flensburger Bahnhofswald und die gesamte umgebende Grünflche mit dem zugehörigen Hang-Biotop, dem Baumbestand und der Quelle samt
Wasserläufen vollständig und dauerhaft erhalten wird.
Veranlassen Sie eine Unter-Schutz-Stellung sowie nachhaltige Pflege und Sicherung des historischen Bestandes als innerstädtische Natur-Oase, die der Allgemeinheit wieder zugänglich gemacht wird.
Bieten Sie der Immobiliengesellschaft JARA eine Ersatzflche an, falls die Hotel- und Parkhaus-Planungen trotz der absehbaren strukturellen Veränderungen im Bereich der Kongress- und Geschäftshotel-Branche bestehen bleiben sollen.
Wir appellieren ebenso an die Stadtverwaltung und die Planungs- und Naturschutz-Abteilungen der Stadt Flensburg, eine derartige Änderung der Pläne aktiv zu unterstützen
und damit den vollständigen Erhalt des Bahnhofswaldes zu sichern.
Stoppen Sie die Planung eines Hotels und Parkhauses an dieser Stelle!
Zur Auseinandersetzung um den Flensburger Bahnhofswald
Historie
Der Flensburger Bahnhofswald ist ein innerstädtisches kleines Waldstück mit historischem, teilweise bis zu 150 Jahre altem Baumbestand, mit einem Steilhang-Biotop und mit einer geschützten
Quelle, ursprünglich auch mit einem Bach. Schon aufgrund der Lage zwischen Bahnhof, Durchgangsstraßen, dicht bebautem Wohngebiet und Gewerbegebiet sowie der topographischen
Beschaffenheit - in einer sich verengenden Schlucht zwischen zwei Straßenzügen - erfüllt er eine bedeutsame Funktion bzgl. des lokalen Klimas. Er ist Wasserspeicher, CO2-Senke, Temperatursenke, Feuchtigkeitsspeicher.
Früher war er in öffentlichem Besitz und der Allgemeinheit zugänglich. Viele ältere FlensburgerInnen erinnern sich daran, wie sie dort an Bach und Quelle gespielt haben…
In den 1970er Jahren wurde die gesamte Fläche an die Deutsche Post verkauft und im nördlichen Bereich mit dem Gebäude der Hauptpost bebaut. Das noch bestehende Postgebäude wird vor
allem im Erdgeschoss weiterhin von der Post genutzt, die Obergeschosse stehen größtenteils leer.
Seit das Grundstück privatisiert wurde, ist der Bahnhofswald aus dem Bewusstsein der Bevölkerung weitgehend verschwunden. Man passiert das Waldstück, wenn man die Bahnhofstraße
entlang geht, durch den straßenbegleitenden Zaun wird es jedoch als Privatgrund markiert.
Nach dem Verkauf des gesamten Grundstücks an die Investorengesellschaft JARA entstanden Pläne zum Bau eines Bahnhofshotels, ursprünglich an der Stelle des Postgebäudes aus den 1980er
Jahren. Die Stadtplanungs-Abteilung der Stadt hat jedoch tatkräftig die Idee gefördert - vermutlich selbst entwickelt -, das alte Postgebäude weiterhin an die Post zu verpachten und auf der
freien Fläche - der Waldflche - eine Bebauung zu planen. Dabei wurde zunächst ignoriert, dass hier ein geschützter Wald und ein Habitat geschützter Tiere vorhanden ist. Die Baupläne wurden
seit 2017 vorangetrieben, auf politischen Wunsch hin auch mit einem öffentlichen Parkhaus, es erfolgten diverse Überarbeitungen. 2019 wurde die Planung mit knapper Mehrheit im zuständigen Fachausschuss abgelehnt, jedoch in der folgenden Ratsversammlung mehrheitlich auf den Weg gebracht. Im Juni 2020 hat die Ratsversammlung der Aufstellung des Bebauungsplans zugestimmt.
Voraussetzung für die Durchführung der Planung ist die Umwandlung des Waldes. Diese wurde nach Intervention der Stadt bei der Landes-Forstbehörde in Kiel von der unteren Forstbehörde in Flensburg in Aussicht gestellt. Die Fachleute der unteren Naturschutzbehörde, der Naturschutz-Beirat der Stadt Flensburg sowie alle Umwelt- und Naturverbände haben sich von Anfang an gegen die Bebauung und gegen die Waldumwandlung ausgesprochen. In der Politik ist das leider nur eine Minderheit. Die Stadtplanung und die Verwaltungsspitze haben das Hotel-Projekt aktiv befürwortet.
In der Bevölkerung allerdings stößt die Planung auf massive Ablehnung. Und diese artikuliert sich auf vielfältige Weise: in knapp 80.000 Unterschriften einer Online-Petition, zahlreichen Leserbriefen, einer Rekordzahl von Einwendungen, in Demonstrationen, der Gründung einer Bürgerinitiative, einer permanent besetzten Mahnwache seit Mitte September 2020, allein dort bisher 2500 gesammelten Unterschriften, einem Widerspruch des BUND gegen die Waldumwandlung und der Besetzung des Waldes durch AktivistInnen seit Anfang Oktober 2020. Eine Klage gegen das Projekt steht zu erwarten.
Unsere Argumente
Flensburg braucht kein weiteres Riesen-Hotel und schon gar nicht an dieser Stelle. Der Bedarf für große Hotels wird sich mittelfristig ändern, auch aufgrund der Erfahrungen in der
aktuellen Corona-Krise. Die stadtplanerische Absicht, durch eine 80 m lange Gebäudekante eines 5-geschossigen Gebäudes den Bahnhof „städtischer“ zu machen und näher an die Innenstadt heranrücken zu
lassen, wird nicht funktionieren. Die Entfernung des Bahnhofs zur Innenstadt - 10 Gehminuten wäre allerdings gut zu überbrücken durch einen Bus-Pendeldienst zum ZOB in kurzer Taktung.
Ob ein Parkhaus in diesem Bereich erforderlich ist, ist umstritten. PendlerInnen, die vom Auto auf die Bahn umsteigen, parken bisher kostenlos und wären durch ein kostenpflchtiges Parkhaus eher abgeschreckt.
Die Lenkung von weiterem Individualverkehr in diesen engen Bereich der Innenstadt ist sowieso nicht wünschenswert. Sofern es überhaupt ausreichend gute Argumente für die Errichtung eines Parkhauses im Bahnhofsumfeld geben sollte (was wir sehr stark bezweifeln), wäre eine gründliche und ernsthaft betriebene Untersuchung von Alternativstandorten durchzuführen. Bisherige Untersuchungen und Argumentionen der Stadt
hierzu sind weder ausreichend noch überzeugend.
Das Argument der Befürworter des Bauvorhabens, dass nur ein kleiner Teil des Waldes und der Bäume geopfert werden müsse, ist fadenscheinig: Tatsächlich sollen nur einzelne Solitärbäume
stehen bleiben und selbst das erscheint unrealistisch: Man möge sich in dieser Zeit, in der man wegen des fehlenden Laubes einen guten Durchblick auf die Planungsfläche hat, das geplante
Bauvolumen vorstellen! Hinzu käme die Einrichtung und der Betrieb der Baustelle, die statisch nötigen Abfangungen am Steilhang, die Sicherung der Baugrube mit Pfahlgründung für die Tiefgarage, die dauerhafte Ableitung des Hangwassers… das würde vermutlich kein Baum im ganzen Bereich bis hoch zur Schleswiger Straße überleben!
Die grüne Oase des Bahnhofswaldes und des Hangbiotops allerdings ist dringend erforderlich für das städtische Mikroklima, den Wasserhaushalt und nicht zuletzt die Stabilität des gesamten Hanges zur Schleswiger Straße hinauf. Die geplanten Ersatzpflnzungen junger Bäume am Stadtrand würden den Klima-Haushalt in keiner Weise ausgleichen, weder in der Menge - die Leistung eines älteren Großbaums entspricht ca 1000 5-jährigen Bäumen - noch von der geographischen Lage her.
Es wäre ungehörig, in dieser Zeit der galoppierenden Klima- und anderer Katastrophen zivilgesellschaftliches Engagement zu ignorieren! Es gibt dieses Engagement an vielen Stellen und in diesem Fall als bürgerlichen Kraftakt sondergleichen, nämlich die seit Monaten ununterbrochene Mahnwache und Waldbesetzung der engagierten Menschen vor Ort!
Flensburg hat sich mit dem Klimapakt hohe Ziele gesetzt.
Es ist an der Zeit, diese endlich einmal im konkreten Fall umzusetzen!
Kontakt und Adresse für die Unterzeichnung des Appels:
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